Wenn das Geld zu Leben anfängt

Anmerkungen von Dr. Karl Marx zur wirtschaftlichen Entwicklung seit 1980.

Das Streben nach Wohlstand, Sicherheit und Glück durch Ver mehrung von Geldvermögen hat in den vergangenen 25 Jahren an Bedeutung gewonnen. Geld erscheint als Subjekt, das uns Arbeit abnehmen kann, aber auch Fürsorge und Solidarität. Die Werbung spricht diese Vorstellung an. "Lassen Sie Ihr Geld arbeiten" erinnert an das "fleißige" Geld. Der ältere Herr in harmonischem Familienkreise will uns sagen: Geld bei der BA-CA hat mir Freude, Sicherheit und Liebe geschenkt (das "beglückende" Geld). Wenn der kleine Sohn seinem Vater nichts abtreten will von der Torte, macht nix, die Geldanlage bei der Wiener Städtischen ersetzt Vertrauen und Zusammenhalt (das "solidarische" Geld). "Geldleben" nannte die Erste Bank ihr Kundenmagazin.

Um Arbeit und Leben des Geldes kümmert sich der Finanzsektor. Das Geldvermögen der "Normalbürger" soll nicht mehr faul auf dem Sparbuch ruhen, sondern in Wertpapierfonds arbeiten. Für das Alter sorgt das Geld in Pensionsfonds vor, vom Staat für seinen Fleiß mit Prämien belohnt. In Hedge-Fonds muss das Geld noch härter arbeiten, im "Treibhaus" einer Privatstiftung bleiben seine Erträge überdies fast steuerfrei. Industriekonzerne stehen da nicht nach: Ihre Abteilungen zur Finanzveranlagung ("Treasuries") expandieren längst am stärksten, ihr Finanzvermögen wächst viel rascher als ihr Realkapital.

Das alles war nicht immer so. Bis in die 1970er-Jahre konzentrierte sich das Streben nach Wohlstand mehr auf Güter als auf Geld. Die Unternehmen nahmen negatives Geldvermögen (Schulden) auf, um Realkapital zu bilden, die Haushalte konzentrierten sich auf die Anschaffung von Konsumgütern und das Bauen von Häusern.

Das Erblühen des "Geldlebens" fällt zusammen mit einer Dämpfung des "realen" Wirtschaftslebens, das Wachstum geht zurück, für das Geld gibt es mehr Arbeit, für die Menschen weniger, die Armut vieler nimmt zu, der Reichtum weniger auch. Zeitliche Koinzidenz oder kausaler Zusammenhang? - Diese Assoziationen wurden durch die Lektüre eines soeben erschienenen Buches mit dem Titel "Geld und Gesellschaft" angeregt, es umfasst elf Aufsätze von Professoren der Universität Klagenfurt (herausgegeben von Paul Kellermann, VS Verlag). Eigentlich sollte ich eine "ausgewogene" Rezension des Buches schreiben, doch daraus wurde nichts. "Hängen geblieben" bin ich schon beim ersten Artikel, jenem von Arno Bamme über Geld als "Fetisch". Ich konn-te der Versuchung nicht widerstehen, die (mich) verblüffenden Gedanken von Karl Marx auf aktuelle Entwicklungstendenzen zu übertragen.

Marx leitet Entstehung und Verwendung von Geld aus den jeweiligen Produktionsverhältnissen ab. Das moderne Kreditgeld entstand durch das Auseinanderfallen von realer und monetärer Transaktion im Zuge der frühkapitalistischen Expansion von Handel und Produktion: Wenn etwa ein Unternehmer Waren bezieht, sie aber nicht bar bezahlt, sondern einen Wechsel ausstellt, kann dieser als Geld weiterverwendet werden. Wird der Wechsel bei einer Bank diskontiert, so ist das Kreditgeld "zinstragend" geworden. Heute ist der weitaus größte Teil des Geldes "zinstragendes Kapital", in der Diktion von Marx "Geldkapital". Dieses umfasst nicht nur alle Arten täglich fälliger Guthaben bei Banken sowie Termin- und Spareinlagen, sondern bei Marx auch Anleihen und Aktien (von ihm "fiktives Kapital" genannt). Der umfassende Geldbegriff von Marx impliziert, dass grundsätzlich jede Art von Finanzvermögen auch als Transaktionsmittel verwendet werden kann. Diese Sicht widerspricht den herrschenden Geldtheorien diametral, die streng zwischen Geld als Transaktionsmittel und Finanzvermögen unterscheiden. Ersteres schafft Liquidität, aber keinen Ertrag, Letzteres bringt einen Ertrag, ist aber nicht liquid. Marx polemisierte gegen diese Unterscheidung, für ihn kann in einer entwickelten Kreditwirtschaft jedes Geldkapital in kürzester Zeit flüssig gemacht und für Zahlungen verwendet werden. Diese Sicht ist verblüffend modern. Wenn heute jemand ein Girokonto, ein Sparbuch, Aktien oder Anleihen besitzt, so kann er via Netbanking in Sekunden jedes dieser Finanzaktiva liquid machen und für Zahlungen verwenden.

Für die Geldpolitik ist diese Sicht höchst relevant: Wenn alles Finanzvermögen potentielles Geld ist, dann gibt es kein Geld als (separiertes) Transaktionsmittel. Die Orientierung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) an der Geldmenge im Sinne von Milton Friedmans Monetarismus wäre illusionär. Diesem hatte Marx schon 1859 entgegnet: "Preise sind also nicht hoch oder niedrig, weil mehr oder weniger Geld umläuft, sondern es läuft mehr oder weniger Geld um, weil die Preise hoch oder niedrig sind." In der Sprache der Ökonomen ausgedrückt: Für Marx ist Geld endogen, und zwar vollständig.

Die US-Notenbank hat sich schon vor 15 Jahren dieser Sicht genähert: Einerseits hatten sich immer mehr zinsbringende und gleichzeitig liquide Geldformen gebildet, andererseits wurde die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes immer instabiler, es gibt daher keinen klaren Zusammenhang zwischen der für Transaktionen relevanten Geldmenge M1 (Münzen, Banknoten, Girokonten) und der Inflation. Deshalb hat die US-Notenbank den Monetarismus verworfen und steuert direkt das Zinsniveau. Die EZB möchte hingegen am Monetarismus festhalten und orientiert sich (daher) an der erweiterten Geldmenge M3. Diese umfasst als größte Komponente die Spareinlagen, sie schwankt deshalb viel weniger als M1, gibt aber der Geldpolitik falsche Signale. Wenn etwa die Haushalte aus Angst vor Arbeitslosigkeit oder Sozialabbau mehr sparen, so beschleunigt sich das Wachstum von M3, dies signalisiert der EZB erhöhte Inflationsgefahr und damit die Notwendigkeit einer Erhöhung der Zinsen - tatsächlich müssten sie aber gesenkt werden.

Im Zug der Wirtschaftsentwicklung wächst auch das Geldkapital. Einerseits vermehrt sich "die Zahl der sich zurückziehenden Kapitalisten, der Rentiers", andererseits auch "die Zahl der Bankiers, Geldverleiher, Finanziers". Während bei Marx die "Geldkapitalisten" ausschließlich Rentiers sind, sind heute die meisten Arbeitnehmer auch "Geldkapitalisten" geworden, insofern sie Sparbücher und sonstige Finanzvermögen besitzen. Diese Tatsache macht die Anwendung der Überlegungen von Marx auf die Gegenwart nicht obsolet, sondern spannender - wir müssen uns selbst nur (auch) als "Geldkapitalisten" begreifen (alle Zitate stammen aus dem dritten Band des "Kapitals").

Das Geldkapital wird an den "industriellen" oder "fungierenden" Kapitalisten gegen Zins verliehen. Es kann aber auch in Staatsanleihen oder Aktien angelegt werden ("fiktives Kapital"). Schließlich kann man versuchen, durch "Jobbers, die in diesen Papieren Spekulationsgeschäfte machen", Gewinn zu erzielen. Denn es gilt: "Mit der Entwicklung des Kreditwesens werden große konzentrierte Geldmärkte geschaffen, wie London, die zugleich Hauptsitze des Handels in diesen Papieren sind. Die Bankiers stellen dem Gelichter dieser Händler das Geldkapital des Publikums massenweise zur Verfügung, und so wächst diese Brut von Spielern."

Zwischen dem "fungierenden" Kapitalisten (Unternehmer) und dem "Geldkapitalisten" (Rentier) besteht ein fundamentaler Interessengegensatz, der Konflikt um die Aufteilung des Gesamtprofits auf Unternehmergewinn und Zinsertrag: "Den Durchschnittsprofit als gegeben vorausgesetzt, ist die Rate des Unternehmergewinns nicht durch den Arbeitslohn bestimmt, sondern durch den Zinsfuß. Sie ist hoch oder niedrig im umgekehrten Verhältnis zu diesem." Die empirische Evidenz bestätigt diese Sicht: Die Schwankungen der Unternehmergewinne werden in viel höherem Maß durch Zins und Zinszahlungen beeinflusst als durch die Lohnkosten.

Dies ist von aktueller Relevanz: Mit der Zinshöhe bestimmen nämlich die Notenbanken die Verteilung zwischen Unternehmern und (uns) Rentiers, verschärft durch folgenden "Akzeleratoreffekt": Steigen die Kreditzinsen etwa von fünf auf acht Prozent (infolge fortgesetzter Erhöhungen der Leitzinsen), so nehmen die Zinszahlungen der Schuldner um 60 Prozent zu. Auf Grund dieses Effekts schwanken die Zinszahlungen der Unternehmen viel stärker als ihre Lohnzahlungen. Die drastischen Zinssenkungen der US-Notenbank zwischen 2001 und 2003 haben den Kreditzins in den US von neun auf vier Prozent sinken lassen und so die Unternehmen und verschuldeten Haushalte in einer schwierigen Wirtschaftslage enorm begünstigt. Die EZB hat im Vergleich dazu stärker die Interessen der Rentiers vertreten als jene der Unternehmer.

Da der Zinsaufwand der Unternehmen ein Teil ihrer Kosten ist, erscheint der Common Sense zwischen Monetaristen und Keynesianern, nämlich die Inflation durch Zinserhöhungen - also durch Kostensteigerungen - zu bekämpfen, als ein Common Nonsense. Oder soll man am Ende den Preisauftrieb auch durch Erhöhung der Lohnkosten oder des Erdölpreises bekämpfen?

Die Veranlagung von Geldkapital in Aktien ermöglicht zwar eine "ungeheure Ausdehnung der Stufenleiter der Produktion", führt aber zu einer "Verwandlung des wirklich fungierenden Kapitalisten in einen blo-ßen Dirigenten, Verwalter fremden Kapitals und der Kapitaleigentümer in bloße Geldkapitalisten". Dieser Widerspruch "reproduziert ei- ne neue Finanzaristokra- tie, ein ganzes System des Schwindels und Betrugs mit Bezug auf Gründungen, Aktienausgabe und Aktienhandel". Durch seinen Ertrag nimmt Geldkapital laut Marx den Charakter eines "Fetisch" an: "Während der Zins nur ein Teil des Profits ist, erscheint jetzt umgekehrt der Zins als die eigentliche Frucht des Kapitals, als das Ursprüngliche, und der Profit als bloßes Accessorium und Zutat. Hier ist die Fetischgestalt des Kapitals und die Vorstellung vom Kapitalfetisch fertig." Und weiter: "Wie das Wachsen den Bäumen, so scheint das Geldzeugen dem Kapital in dieser Form als Geldkapital eigen. Das Geld hat jetzt Lieb? im Leibe. Sobald es verliehen ist oder auch im Reproduktionsprozess angelegt, wächst ihm der Zins an, es mag schlafen oder wachen, sich zu Hause oder auf Reisen befinden, bei Tag und bei Nacht." Deshalb berichtet auch das Morgen- und Abendjournal von Ö1, wie das Geld zuletzt gearbeitet hat, und was die Finanzmärkte als Subjekte uns Objekten sonst noch zu sagen haben.

Als Fetisch nimmt Geldkapital (G) selbst den Charakter einer Ware (W) an. Dies bedeutet zweierlei. Erstens, statt gegen (wirkliche) Waren getauscht zu werden (G-W-G-W), wird es auf den Finanzmärkten gegen andere Formen von Geldkapital gehandelt (G-G-G-G), um Spekulationsgewinne zu erzielen. Zweitens, Geldkapital, vornehmlich Aktienkapital, wird akkumuliert, um durch Bewertungsgewinne reicher zu werden. Schauen wir also dem Geld bei diesen beiden Arbeitsformen zu.

Am fleißigsten ist das Geld in seinem Bemühen, Handelsgewinne zu erzielen. Mit wachsender Geschwindigkeit wechselt es den Besitzer, der "Normaleinsatz" am Devisenmarkt (zirka fünf Millionen Dollar) verbleibt kaum 15 Minuten in eines Händlers Hand. Dementsprechend gewaltig sind die Umsätze, allein auf diesem Markt etwa 2000 Milliarden Dollar pro Tag, 30-mal so viel wie jene des Welt- handels. Die Aktien-, Anleihen- und Rohstoffmärkte und die entsprechenden Derivatmärkte für Terminkontrakte oder Optionen stehen da nicht nach. Überall bemüht sich das Geld, kleinste Kursschübe spekulativ zu nützen. Dabei verwendet es die modernsten Informationstechnologien, nicht nur, um rascher von Händler zu Händler und von Markt zu Markt zu eilen, sondern auch, um seine Entscheidungen durch computergesteuerte Spekulationsmodelle zu fundieren ("technische Analyse").

Trotz dieser Anstrengungen kann sich Geldkapital auf diese Weise nicht vermehren: Diese Spiele sind Umverteilungsspiele (was der eine verliert, gewinnt ein anderer), wie in einem wirklichen Casino. Allerdings ist auf den Finanzmärkten die Kugel nicht exakt rund, sodass professionelle Händler systematisch gewinnen können (meist auf Kosten der "Amateure"). Die Spezialisten dieses Spiels sind die Hedge-Fonds geworden, entsprechend hoch sind ihre Durchschnittrenditen. Wenn Marx ihr Treiben von der Hölle aus betrachtet, denkt er gewiss an seine "Brut der Spieler".

Wie im Casino gewinnt einer immer: die Bank. Soll heißen: der Finanzsektor in seiner Gesamtheit, von Börsen, Banken und Versicherungen bis zu den Hedge-Fonds. Gewinnt auch der Kunde, so schneiden sie mit, verliert er, so hat er sich geschnitten.

Im Gegensatz zum Casino werden auf den Finanzmärkten die für die "Realwirtschaft" wichtigsten Preise bestimmt, also Wechselkurse, Rohstoffpreise, Aktienkurse und Zinssätze (Letztere in den von den Notenbanken bestimmten Grenzen). Die Akkumulation kurzfristiger spekulativer Kursschübe lässt diese Preise in einer Abfolge von mehrjährigen "Bull markets" und "Bear markets" nach oben und unten "überschießen".

Dies produziert Unsicherheit für die "wirklichen Kapitalisten", steigert ihre Kosten und erhöht gleichzeitig die Anreize, selbst als "Geldkapitalist" zu agieren: Industriekonzerne verlagern ihre Investitionen von Real- zu Finanzveranlagung und bauen ihre "Treasuries" dementsprechend aus. Kleinere Unternehmen haben diese Möglichkeiten nicht. - Bei schwacher Realkapitalbildung brauchen die Konzerne keine Aktien mehr emittieren, vielmehr kaufen sie ihre eigenen Aktien zurück, was deren Kurse und damit die Entlohnung des Managements steigen lässt. Gleichzeitig möchte sich aber immer mehr Geldkapital am Aktienmarkt vermehren, insbesondere zur Pensionsvorsorge. Damit sind die Idealbedingungen für die zweite Arbeitsform von Geldkapital gegeben, seine "Vermehrung" als "fiktives Kapital", also durch Bewertungsgewinne: Einem sinkenden Angebot an Aktien steht eine steigende Nachfrage gegenüber. Zwischen 1982 und 1999 ist so der Börsenwert US-amerikanischer und deutscher Aktiengesellschaften fast auf das Zwölffache gestiegen.

Freilich wurde dadurch das Aktienkapital immer "fiktiver", denn im gleichen Zeitraum hat sich der "wirkliche" Wert der Unternehmen - gemessen an ihren Bilanzwerten - lediglich verdoppelt. Marx dazu: "Aller Zusammenhang mit dem wirklichen Verwertungsprozess des Kapitals geht so bis in die letzte Spur verloren, und die Vorstellung vom Kapital als einem sich durch sich selbst verwertenden Automaten befestigt sich."

Die wachsende Diskrepanz zwischen "wirklichem" Realkapital und "fiktivem" Aktienkapital musste zu einem Sturz der Aktienkurse führen, in Japan schon 1990, in den übrigen Ländern zehn Jahre später. In Deutschland fielen die Kurse um etwa 70 Prozent, die Finanzlage von Unternehmen, Banken und Versicherungen verschlechterte sich markant. Daher wurde die Senkung der Unternehmenssteuern 2001 zur finanziellen Konsolidierung und nicht für Realinvestitionen verwendet.

Auch die privaten Haushalte lassen ihr Geld immer mehr auf den Finanzmärkten arbeiten, gefördert durch Netbanking und neue Bankprodukte, durch die auch der "kleine Mann" auf diesen Märkten spekulieren kann. Überdies legen immer mehr Menschen einen Teil ihres Einkommens bei Pensionsfonds an. Also geht das Spiel der Geldvermehrung weiter: Seit 2003 haben sich die Aktienkurse in Deutschland verdoppelt, in Österreich verdreifacht, nicht zuletzt als Folge der staatlichen Förderung privater Pensionsvorsorge. Konsumnachfrage und Wirtschaftswachstum blieben (auch deshalb) schwach. Ob sich der "wirkliche" Wert der im ATX erfassten Unternehmen verdreifacht hat, scheint unter diesen Bedingungen fraglich. Also doch "fiktives" Kapital?

Was sind nun die langfristigen Folgen dieser Entwicklungen? Wenn die Haushalte aus Sorge um ihre Pensionen mehr sparen (also weniger konsumieren) und ihr Geld durch Pensionsfonds am Aktienmarkt anlegen lassen, so werden die Kurse steigen. Wenn gleichzeitig die Unternehmen das zusätzliche Sparkapital wegen der Konsumschwäche oder attraktiver Aktienkursgewinne nicht real investieren wollen, dann ergibt sich folgender Widerspruch: Konsum, Investitionen und Gesamtprodukt stagnieren, aber die "Bezugsscheine" auf das künftige Sozialprodukt nehmen durch die Wertsteigerung der Pensionsfonds drastisch zu. Das Streben nach mehr Sicherheit in Form von Geldkapital steigert so die Unsicherheit. Allgemein gesagt: Sparen und Finanzkapital kann immer nur in Form von Investitionen und Realkapital in die Zukunft "mitgenommen" werden, höhere Ansprüche durch Aktienkurssteigerungen sind "fiktiv", können aber den Kampf um den stagnierenden "wirklichen Kuchen" erheblich verschärfen.

Länder mit "realkapitalistischer Wirtschaftskultur" - Japan, Deutschland - wurden vom Übergang zu "finanzkapitalistischem" Gewinnstreben wie von einem "Kulturschock" getroffen. Deshalb übersteigt et- wa in Deutschland das Sparen der Unterneh- men ihre Realinvestitionen erheblich, gleichzeitig haben auch die Haushalte ihr Sparen ausgeweitet. Unter diesen Bedingungen "erleidet" der Staat fast zwingend ein Defizit.

Der Widersinn von Finanzakkumulation als Selbstzweck - "Dagobert-Duck-Syndrom" - wird am Verhältnis der "Sparerländer" Deutschland und Japan zu den USA besonders deutlich: Dort haben die Haushalte ihre Sparquote gesenkt, der Konsum wächst (deshalb) stetig, was wiederum die Realkapitalbildung stimuliert. Diese sowie das Staatsdefizit finanzieren die USA durch Kredite der "Sparerländer". Sie haben bisher einen "Schatz" an Forderungen gegen die USA in Höhe von 3500 Milliarden Dollar angehäuft. In diesem Ausmaß sind mehr Güter in die USA geströmt, als von ihnen exportiert wurden. Die "Sparerländer" haben die US-Schuldtitel, die USA hingegen die Toyotas, Porsches und BMWs. Sie werden sich als größtes Geschenk der Wirtschaftsgeschichte entpuppen, zumal die USA seit 20 Jahren für ihre Schulden faktisch auch keine Zinsen mehr zahlen (ihre jährliche Neuverschuldung ist viel höher - die USA "zahlen" ihre Zinsen also mit neuen Krediten wie bei einem Pyramidenspiel).

In jenen Ländern, welche am stärksten Finanzvermögen gegenüber dem Ausland akkumulieren, Deutschland und Japan, stagniert die Realwirtschaft seit Jahren. Die "Dagobert-Duck-Gesinnung" von Unternehmen und Haushalten ließ die Realinvestitionen sinken und den Konsum stagnieren, dies konnte vom Exportwachstum nicht wettgemacht werden. - Fazit: Die Schaffung realen Wohlstands erliegt, wenn zu viele den finanziellen Wohlstand anstreben. Der Grund ist einfach: Geld arbeitet nicht.

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