Zukunftsängste: „Kann Kuba den Sozialismus wahren?“

Fidel Castro ist bald 80, und nicht sehr gesund. Die Nachfolgefrage im Paradies der Linken wird immer virulenter.

HAVANNA/RIO DE JANEIRO. Was schenkt man ihm denn wohl zum Geburtstag? Im August wird er 80, der „Größte Führer“ Fidel Castro, der Comandante, der nach dem Sturz des US-Lakaiendiktators Fulgencio Batista seit dem Ersten Jänner des Jahres 1959 unumschränkter Herrscher über die letzte kommunistische Bastion in der westlichen Hemisphäre ist.

Die Frage nach dem Geburtstagsgeschenk dürfte indes eine überschaubare Anzahl von Funktionären in der Nomenklatura beschäftigen: Fidel hat ja schon alles, die ganze Insel gehört ihm. Doch das unbarmherzig näherrückende Wiegenfest wirft erneut – und zwar dramatischer denn je – in ganz Kuba die Frage auf: Was kommt nach Fidel Castro? Ja gibt es so was überhaupt?

Früher gab es sozusagen kubanische „Kreml-Astrologen“; die sitzen aber heute alle in Miami, wo das Leiden, der Tod, das Ende, der Putsch gegen Castro schon unzählige Male angekündigt wurden. Fidel Castro hat auch das überstanden, ja er hat ein Dutzend US-Präsidenten, die ihm allesamt ans Leder gehen wollten, überlebt. Er ist, neben Thailands König Bhumipol, einer der dienstältesten unter allen politischen Patriarchen dieser Welt.

Angst um Revolution

Doch im November hatte der Bärtige selber in der Uni von Havanna, wo er seine Karriere als Anwalt begann, in einer Rede vor Studenten ganz offen die Nachfolgefrage aufgeworfen: „Dieses Land kann sich selber zerstören, diese Revolution kann sich selber begraben – wenn wir nicht aufpassen! Wie kann Kuba den Sozialismus wahren, wenn die erste Generation abtritt und Platz macht für die Nachfolgenden?“

Am 23. Dezember griff der junge Außenminister Felipe Pérez Roque (38) das Thema in der Nationalversammlung auf und sprach offen vom Abgrund, der sich öffne, wenn der Comandante nicht mehr sei. Ohne Zweifel hatte damit der „Enkel“ Fidels ein Tabu gebrochen – aber mit Rückendeckung des Alten. Denn erstens sprach er vom Platz aus, der dem Vizepräsidenten gebührt, und zweitens stellte er indirekt dessen Autorität in Frage. Dieser aber ist kein anderer als der jüngere Bruder Fidels, Raúl (75). Der Verfassung nach fällt ihm der Staat in die Hände, wenn Fidel nicht mehr kann oder will.

Stiftet Fidel Castro seine „Enkel“ gar zu einer „Kulturrevolution“ gegen die „Söhne“, die „Neureichen“, die Mitläufer des Regimes an, die sich darin kommod eingerichtet haben? Einige westliche Diplomaten in Havanna vergleichen Fidel da schon mit Mao Zedong.

Jedenfalls hat das Regime in Havanna plötzlich seine Liebe zu den Twens und Teenagern entdeckt, die man als „Junge Pioniere“ vor die Tankstellen geschickt hat, um als Wächter der Revolution illegales Abzapfen, jede Korruption im Keime zu ersticken. Die Daumenschrauben werden also wieder angezogen; und auch mit schwarz getauschten Dollars sind einfach keine Geschäfte mehr zu machen. Fidel Castro zeigt sich stur – er macht sein Testament. Abweichler sollen keine Chance erhalten.

Schutzmacht Venezuela?

So besorgt Fidel Castro über seine Insel ist, so zufrieden dürfte er darüber sein, dass seine politische Saat in Südamerika aufgeht. Mit Hugo Chávez und Evo Morales sind etwa in Venezuela und Bolivien Männer am Ruder, die ihn verehren – aber nicht kopieren.

Da passt es in die Gerüchteküche, dass Kuba sich am Tag X – wenn der Comandante absalutiert – unter die Schirmherrschaft Venezuelas begeben soll – um so den USA den Appetit zu verderben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.