Südosteuropa: Dauerzwist um Grenzen, Geld und Schuld am Krieg

16 Jahre nach dem Zerfall Ex-Jugoslawiens haben die Nachfolgestaaten noch einigen Klärungsbedarf.

Belgrad. Wer sich lange kennt, der streitet gerne. Nur beim Streben in Europas Wohlstandsbündnis EU, in das bisher nur Slowenien gelangen konnte, üben sich die Nachfolgestaaten des zerfallenen Jugoslawien im Schulterschluss. Ansonsten frönen sie dem endlosen Dauerclinch. Ob Meeresbuchten oder Fluss-Inseln, Spar-Einlagen oder Stromlieferungen, Immobilien oder Kriegsschuld: Streitobjekte finden die konfliktfreudigen Nachbarn genug.

Am eifrigsten rangeln ausgerechnet zwei Staaten, die 1991 gemeinsam als erste aus dem Bundesstaat drängten: Seit ihrer Unabhängigkeit streiten Slowenien und Kroatien um die Grenzen an der Mur und in der Bucht von Piran. Slowenien drohte dem Nachbarn vorübergehend gar mit der Blockade von dessen EU-Ambitionen. Im vergangenen Jahr ließen Laibach und Zagreb sogar Sondereinheiten zum Schutz der vermeintlich bedrohten Staatsgrenze ausrücken. Zwar kündigen beide Länder nun neue Initiativen zur Beilegung des Grenzstreits an. Doch neben des Konflikts um Schadensersatzforderungen Zagrebs für zeitweilig gestoppte Stromlieferungen des gemeinsamen Atomkraftwerks Krko haben die Streithähne ein neues Feld fürs bilaterale Fingerhakeln entdeckt: Beide Staaten werfen einander nun Behinderungen beim Immobilienerwerb im Nachbarland vor.

Streit um Spareinlagen

Die kapitalkräftigen Euro-Touristen aus Slowenien, die besonders gerne Belgrad aufsuchen, sind zwar in allen Nachfolgestaaten willkommen. Doch wenn Politiker aus Laibach durch die Metropolen des zerfallenen Balkan-Imperiums tingeln, sehen sie sich fast immer mit Protesten aufgebrachter Kleinanleger konfrontiert. Um ihre Spareinlagen bei der früheren Ljubljanska Banka fühlen sich zehntausende von Kroaten, Bosniern oder Serben betrogen. Laibach hatte sich die Bank 1991 als rein slowenischen Besitz einverleibt – und Sparer aus den anderen Ex-Bundesstaaten hatten plötzlich keinen Zugriff mehr auf ihr Geld.

Die meisten Grenzstreitigkeiten ficht unterdessen das Land mit der längsten Außengrenze aus. Mit Serbien ringt Kroatien um einige Donau-Inseln, mit Montenegro um die Halbinsel Prevlaka südlich von Dubrovnik. Mit Bosnien streitet Zagreb um den Bau einer Brücke zur Halbinsel Peljeac, durch die sich das nur wenige Küstenkilometer zählende Bosnien vom internationalen Urlaubsverkehr abgeschnitten fühlt.

Nach dem Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH), der Ende Februar eine Klage Bosniens gegen Serbien wegen Völkermords abwies, hegt Belgrad die Hoffnung, dass auch eine ähnliche Klage Zagrebs zurückgewiesen wird. Die nahende Unabhängigkeit des Kosovo wird Serbien allerdings kaum verhindern können. Als Morgengabe dürfte sich Pritina wiederum nicht nur mit millionenschweren Entschädigungsforderungen, sondern auch einer enormen Schuldenlast konfrontiert sehen: Seinen Anteil an der serbischen Staatsschuld wird ein unabhängiger Kosovo übernehmen müssen. Relativ problemlos hat Serbien hingegen die Scheidung von Montenegro vollzogen.

Im Alltagsleben der einfachen Bürger haben sich die Beziehungen nach den Kriegen in den Neunzigerjahren aber längst zu normalisieren begonnen. Auch wenn Serben bei Urlaubsreisen in manche Regionen Bosniens oder Kroatiens noch immer Attacken auf Vehikel mit Belgrader Nummernschildern fürchten.

Friedliche „Adria-Liga“

Die Teilung hat zumindest der Sport überwunden. Schon seit 2002 messen Basketball-Teams aus Bosnien, Kroatien, Serbien und Slowenien in der so genannten „Adria-Liga“ friedlich ihre ex-jugoslawischen Kräfte. Ein Gastspiel von Zagreb in Belgrad sorgt längst nicht mehr für Schlagzeilen. Mehr Arbeit hat Serbiens Polizei beim Kampf der Belgrader Basketball-Giganten: Nur wenn die Korb-Künstler von Partizan auf die Lokalrivalen von Roter Stern Belgrad treffen, säumen in Serbiens Hauptstadt mit Schlagstöcken bewaffnete Polizisten die Straßen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2007)

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