Fall Litwinenko: Scotland Yard ermittelt offiziell wegen Mordes

Die britischen Behörden sprechen im Fall Litwinenko nicht mehr von einem "ungeklärten Todesfall". Unterdessen wurde an immer mehr von dem Ex-Spion besuchten Orten Radioaktivität gemessen.

Nach dem mysteriösen Tod des russischen Ex-Spions und Kreml-Kritikers Alexander Litwinenko ermittelt die britische Polizei jetzt offiziell wegen Mordes. Die Ermittlungen hätten eine Stufe erreicht, auf der dies angemessen sei, erklärte Scotland Yard am Mittwochabend in London. Bisher hatten die Behörden lediglich von einem ungeklärten Todesfall gesprochen. Litwinenko starb am 23. November nach einer Vergiftung mit dem radioaktiven Polonium-210.

Scotland Yard betonte in der Erklärung vom Mittwoch zugleich, es gebe noch keine Folgerungen hinsichtlich der Mittel, Motive oder der Identität möglicher Verantwortlicher. Litwinenko hatte auf dem Sterbebett den russischen Präsidenten Wladimir Putin beschuldigt, seine Ermordung in Auftrag gegeben zu haben. Putin hat dies zurückgewiesen.

Immer mehr radioaktive Funde

Die radioaktiven Funde an Orten, die der 43-jährige Litwinenko oder Kontaktpersonen besuchten, weiten sich unterdessen immer mehr aus: In der britischen Botschaft in Moskau wurde laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax eine geringe Strahlung gemessen, auch im Londoner Emirates-Stadion wurde nach Behördenangaben vom Mittwoch Polonium nachgewiesen. Dies sei aber nur in äußerst geringer Intensität gefunden worden.

In dem Stadion war am Tag von Litwinenkos Erkrankung ein Fußballspiel, das eine mögliche Schlüsselfigur des Falls besuchte: Der ehemalige russische Geheimdienstagent Andrej Lugowoi. Nach einem Bericht des Senders ABC News soll Lugowoi als ein Hauptverdächtiger in dem Vergiftungsfall gelten. Die britische Polizei nennt ihn allerdings lediglich als Zeugen. Er war laut Medienberichten in den Wochen vor Litwinenkos Tod mehrmals mit dem Ex-Spion zusammengetroffen, zuletzt am 1. November, unmittelbar vor der Erkrankung Litwinenkos.

Befragung von Zeugen geplant

Die britischen Ermittler wollen den Schlüsselzeugen Lugowoi nun in Moskau befragen. Ein Treffen sollte am Donnerstag zu Stande kommen, zitierte die Nachrichtenagentur ITAR-Tass einen Anwalt Lugowois. Die russischen Behörden hatten am Dienstag erklärt, den britischen Ermittlern sei es nicht möglich, Personen in Moskau selbst zu vernehmen. Die Befragungen könnten nur russische Ermittlungsbeamte durchführen. Die britischen Beamten dürften dabei aber anwesend sein. Russische Ermittler und ihre Kollegen von Scotland Yard befragten laut Interfax am Dienstag und Mittwoch den Ex-Agenten und Geschäftsmann Dmitri Kowtun, der ebenfalls am 1. November mit Litwinenko zusammengetroffen war.

Der italienische Sicherheitsexperte Mario Scaramella, ebenfalls eine der Personen, die mit Litwinenko unmittelbar vor seiner Erkrankung zusammentrafen, wurde am Mittwoch nach Untersuchungen aus dem Krankenhaus entlassen. Scaramella habe keine Anzeichen von radioaktiver Vergiftung gezeigt, erklärte ein Krankenhaussprecher in London. Der Italiener war eingewiesen worden, nachdem er positiv auf einen Polonium-Test reagiert hatte. (Ag.)

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