Bremsversuch: Niederlande wollen EU-Beitritte erschweren

Im neuen EU-Vertrag müssten die Kriterien für eine künftige Erweiterung genauer festgelegt werden, um der Bevölkerung die Angst zu nehmen, fordert Den Haag.

BRÜSSEL (ag.). Die Niederlande drängen die EU-Partner zu neuen, strengeren Beitrittskriterien. Wie Europaminister Frans Timmermans vor dem Verfassungsausschuss des Europaparlaments betonte, sollten damit die Ängste der Menschen in Europa rascher abgebaut werden. Die Niederlande hatten 2005 in einem Referendum ebenso wie Frankreich gegen den neuen EU-Verfassungsvertrag entschieden. Mit ein Grund für dieses Abstimmungsergebnis war der Start der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Timmermans wies vor den EU-Parlamentariern darauf hin, dass es unmöglich sei, denselben Verfassungstext noch einmal der Bevölkerung vorzulegen. Er schlug vor, dass neue Beitrittskriterien zum EU-Vertrag hinzugefügt werden sollten. Wegfallen könnten im Gegenzug die Leitlinien für die Gesundheits- und Sozialpolitik. Die Grundrechte-Charta müsste nicht in der Vollversion einfließen. Da reiche ein Hinweis.

Sympathien für strengere Beitrittskriterien gibt es auch in Frankreich und Österreich. Beide Länder hatten sich für eine genaue Definition der Aufnahmefähigkeit der EU ausgesprochen. Sowohl Paris als auch Wien hatten dem Vernehmen nach dabei vor allem die Türkei im Auge. Die französische Führung sprach sich allerdings auch gegen eine rasche Aufnahme der Staaten des Westbalkan aus.

Schwammige Aufnahmefähigkeit

Derzeit wird die Aufnahme neuer Mitglieder über die Kopenhagener Kriterien geregelt, die freilich einen äußerst großen politischen Spielraum lassen, um über die Beitrittsreife eines Landes zu entscheiden. Sie verlangen von neuen Mitgliedern eine demokratische, rechtsstaatliche Ordnung, eine funktionsfähige Marktwirtschaft und die Übernahme aller EU-Regeln. Indirekt wird auch die Prüfung der Aufnahmefähigkeit der Union verlangt. So heißt es: „Die Fähigkeit der Union, neue Mitglieder aufzunehmen, dabei jedoch die Stoßkraft der europäischen Integration zu erhalten, stellt ebenfalls einen sowohl für die Union als auch für die Beitrittskandidaten wichtigen Gesichtspunkt dar.“

Das Europaparlament hatte sich im vergangenen Jahr dafür ausgesprochen, auch eine geografische Grenze für die Erweiterung einzuziehen. Auf wenig Gegenliebe stoßen derlei Forderungen allerdings in der EU-Kommission, die als traditionell Erweiterungs-freundlich gilt.

Derzeit laufen Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und der Türkei. Über die Frage, wer als nächstes der Union beitreten soll, gehen die Meinungen innerhalb der EU weit auseinander. Während Österreich die mittelfristige Aufnahme aller Länder des früheren Jugoslawiens protegiert, spricht sich Polens Präsident Lech Kaczyski für den Beitritt der Ukraine aus. Sie sollte seiner Ansicht nach bis 2020 Vollmitglied der Union werden. „Es muss auch eine Erweiterung in östliche Richtung geben“, so Kaczyski.

Neue Schwarzmeer-Strategie

Um den Druck potenzieller neuer Mitglieder auf die EU zu reduzieren, hat EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner am gestrigen Mittwoch eine Strategie zur Anbindung der Schwarzmeer-Länder an die Union präsentiert. Unter dem Titel „Schwarzmeersynergie“ sollen die Anrainerstaaten Russland, Georgien, Türkei und die Ukraine mit Hilfe der EU zu einer regionalen Zusammenarbeit motiviert werden. Zusätzliche Finanzmittel wird es freilich für diese Initiative nicht geben. Gemeinsame Projekte müssen aus dem regulären EU-Budget und wohl auch durch die Teilnehmerländer selbst finanziert werden.

Inline Flex[Faktbox] LEXIKON.("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2007)

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