Hundstorfer: "Verzetnitsch hat seine Befugnisse weit überschritten"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bawag-Prozess. Verzetnitsch hätte die Garantien für die Bawag nicht ohne Beschluss des ÖGB-Vorstands abgeben dürfen, sagt ÖGB-Präsident Hundstorfer.

ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer hat heute, Dienstag, bei seiner Einvernahme als Zeuge im Bawag-Prozess seinen Vorgänger an der Gewerkschaftsspitze, Fritz Verzetnitsch, schwer belastet. "Ich bin zutiefst überzeugt, dass er seine Befugnisse weit überschritten hat", antwortete Hundstorfer auf Befragung durch Richterin Claudia Bandion-Ortner. Verzetnitsch hätte die Garantien für die Bawag ohne Beschluss des ÖGB-Bundesvorstands nicht abgeben dürfen, unterstrich der ÖGB-Chef.

"Ich hätte Personen ausgetauscht" 

Die Richterin fragte Hundstorfer, wie er selber im Jahr 2000 gehandelt hätte, wenn er damals ÖGB-Präsident gewesen wäre und vom damaligen Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner von den großen Verlusten erfahren habe. Natürlich rede er jetzt mit seinem heutigen Wissensstand, so Hundstorfer, aber er wäre damals in die Gremien gegangen und hätte "Personen ausgetauscht".

Außerdem hätte er nicht zugelassen, dass Ex-Bawag-Chef Elsner in der ÖGB-Privatstiftung und bei den Casinos noch gutdotierte Posten bekäme, kritisierte Hundstorfer.

"Offenheit ist noch immer die beste Lösung" 

Auch das im Prozess oft vorgebrachte Argument der Angeklagten, sie hätten mit ihrem Handeln und der Verheimlichung der Verluste einen "Run auf die Bank", also einen massiven Abfluss von Kundengeldern, verhindern wollen, ließ Hundstorfer nicht gelten. "Offenheit und Transparenz ist immer noch die beste Lösung", betonte der ÖGB-Chef auf eine diesbezügliche Frage der Richterin.

"Gibt es etwas, was Sie den Herren hier sagen wollen?", fragte Bandion-Ortner. "Nein, ich bin an und für sich erzogen zur Höflichkeit", antwortete Hundstorfer, und erklärte dann: "Der ÖGB wird das überleben, der ÖGB wird diese Krise durchstehen, er wird diese Krise als massive Chance wahrnehmen."

Schwerer Image-Schaden für ÖGB

Der Schaden für den ÖGB durch die Bawag-Affäre sei erheblich, sagte Hundstorfer bei seiner Zeugenaussage. Zusätzlich zum materiellen Schaden habe der ÖGB einen Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust erlitten. Außerdem leide die Gewerkschaft unter Mitgliederschwund und habe seit dem Vorjahr rund 70.000 Mitglieder verloren.

Auch die ÖGB-Pensionisten mussten ihren Beitrag leisten, damit der ÖGB überhaupt eine Bilanz 2006 erstellen konnte, schilderte der ÖGB-Chef die Pensionskürzungen. "Also ein erheblicher Image-Schaden für den ÖGB?", fragte Richterin Claudia Bandion-Ortner. "Ich muss das leider bestätigen", antwortete Hundstorfer. Der ÖGB hat sich dem Verfahren als Privatbeteiligter angeschlossen.

"Jeden Tag eine Überraschung" 

Von den Verlusten der Bank und der im Jahr 2001 vom ÖGB übernommenen Ausfallshaftung habe er erstmals am 20. März 2006 vom damaligen ÖGB-Finanzreferenten und nunmehrigen Angeklagten Günter Weninger und dem damaligen ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch in einer Sitzung des ÖGB-Stiftungsrats erfahren, schilderte Hundstorfer heute. Ihm sei damals gesagt worden, dass diese Haftung nach Verlusten in der Bawag unterzeichnet wurde, um das Eigenkapital der Bank zu retten.

In einer weiteren Sitzung am 22. März 2006 sei dann "ein bisschen mehr" von Karibik, Refco und dem Casino Jericho erklärt worden. "Wie hat man reagiert?", fragte die Richtern. "Ich habe wahrscheinlich meinen dritten Gallenstein bekommen", antwortete Hundstorfer. Alle seien zutiefst betroffen und schockiert gewesen, in Folge sei dann bei vielen weiteren Sitzungen "jeden Tag eine Überraschung" eingetreten, schilderte Hundstorfer die weiteren Enthüllungen in der Bawag-Affäre.

"Fragen wurden zurückgeschmettert"

Bei den ÖGB-Sitzungen im März 2006 seien Verzetnitsch auch Vorwürfe gemacht worden, erklärte Hundstorfer. Verzetnitsch habe immer wieder betont, dass man sich damals bemüht habe, die Bank zu retten. Fragen, warum der Vorstand der Bawag nicht ausgetauscht worden sei, "wurden alle zurückgeschmettert", schilderte Hundstorfer. 

Mit Verzetnitsch habe er im April 2006 über die Sache gesprochen, so Hundstorfer. Dieser habe ihm erklärt, dass er im Jahr 2001 die Garantie für die Bawag unterschrieben habe, "alles andere hat er abgelehnt zu wissen", sagte der ÖGB-Chef über seinen Vorgänger.

Weninger: Ohne Refco hätten wir nicht verloren

Ohne den Refco-Skandal hätte die Bawag nicht verloren, meinte der ehemalige Aufsichtsrats-Präsident der Bawag Günter Weninger heute vor Gericht. Der Vergleich mit den Gläubigern des US-Brokers - die Bawag war daran beteiligt und soll an der Verschleierung von Verlusten mitgewirkt haben - habe fast eine Milliarde gekostet.

Die mit 1,44 Mrd. Euro bezifferten  Karibik-Verluste bis ins Jahr 2004 hätte die Bank hingegen ausgleichen können, ohne zusätzliches Geld in die Bawag pumpen zu müssen, bekräftigte Weninger. Die Schadensberechnung seines Nachfolgers, Clemens Schneider, qualifizierte der ehemalige ÖGB-Finanzchef als „unseriös“ ab. Schneider bezifferte den Gesamtschaden des Bawag-Debakels für den ÖGB auf 2,9 Mrd. Euro.

BayernLB-Vertreter: Fühle mich getäuscht 

Der zweite Zeuge am heutigen Prozess-Tag, BayernLB-Vertreter Alfred Lehner, war vergleichsweise kurz im Zeugenstand. Er bekräftigte, dass er sich im Nachhinein von der damaligen Bawag-Führung getäuscht fühle. Mit dem heutigen Wissen hätte er der Pensionsabfindung für den damaligen Vorstandsvorsitzenden Helmut Elsner "natürlich nicht" zugestimmt.  (Ag.)


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