Nachruf

Doyenne des letzten Stegreif-Theaters

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Emmy Schörg, Urgestein der Tschauner-Bühne, ist im Alter von 90 Jahren gestorben.

Eigentlich wollte sie ja gar nicht mitmachen. Doch dann fiel eine Müllerstochter für Rumpelstilzchen aus, und Emmy Schörg wurde von der legendären Frau Tschauner als Ersatz rekrutiert, war sie doch „in dieser Rolle studiert“. Warum die Kollegen da mit Bleistift um einen Tisch saßen und sich Notizen machten, war ihr unerklärlich.

Erst spät dämmerte ihr, dass es sich um Stegreiftheater handeln müsse. „Ich hab alle Zustände gehabt. Kurz vor der Vorstellung hab ich mein Köfferl genommen und wollte mich rausschleichen“, erzählte sie der „Presse“ 2017. Allein, sie wurde erwischt („Madl, wo willst'n du hin?“) – und zurückgebracht. Danach weigerte sie sich weitere fünf Jahre standhaft, ehe sie dem Ruf des „Tschauner“ nachgab – und über fünf Jahrzehnte hinweg zur Doyenne der Stegreifbühne reifte. Viele Zuschauer kamen vor allem ihretwegen – dass die Tschaunerbühne in Ottakring auch die letzte Stegreifbühne Europas ist, zählte da nur in zweiter Linie.

Emmy Schörg verkörperte nicht nur „beim Tschauner“ ein Stück altes Wien.
Emmy Schörg verkörperte nicht nur „beim Tschauner“ ein Stück altes Wien. (c) Sigrid Mayer

In Hernals als Tochter eines Chauffeurs und einer Postangestellten geboren, wollte Schörg schon als Dreijährige auf die Bühne. Sie spielte an Schauspielhäusern und beim Film, war Operetten- und Wienerlied-Sängerin, arbeitete im Ottakringer Marionettentheater und leitete ihre eigene Märchenbühne. Und sie spielte auf Wiens letzten vier Stegreifbühnen, vor allem und bis zuletzt beim 1909 gegründeten, seit 1957/58 in der Maroltingergasse untergebrachten „Tschauner“. Dass dort jüngst vor allem Heiter-Deftiges gefragt war, fand sie schade. „Ich habe sehr gerne ernst gespielt. Aber heute will jeder lachen. Wahrscheinlich, weil er privat nicht so viel zu lachen hat.“

Als sie einmal „schon zum Sterben war und dann doch noch von der Schaufel gehupft“ ist, trat sie gleich danach wieder auf, gegen den Willen ihres Partners. „Wenn du spielst, geh ich“, hatte er gedroht. Sie spielte, er ging. Am 12. Juni ist Emmy Schörg nun im Alter von 90 Jahren gestorben.

(tes)

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