Dan Perjovschi: Meister des Filzstifts

Dan Perjovschi
  • Drucken

Sein Instrument ist der Edding: Der rumänische Cartoonist Dan Perjovschi zeichnet seine Bilder immer gleich direkt auf die Wand. Ein Gespräch darüber, wie man den Krieg in drei Striche verpackt und seinen Humor bewahrt.

Wenn Dan Perjovschi lacht, streckt er die Zunge heraus und reißt die Augen weit auf. Als würde er sich über die ganze Welt amüsieren, wie ein Beobachter von einem anderen Stern. Perjovschi reist seit Jahren mit seinem schwarzen Edding durch den internationalen Ausstellungsbetrieb, von Biennale bis Tate Modern war seine Art des Graffiti schon in den besten Häusern zu sehen. Die Zeichnungen, meist krakelige Figuren, oft ohne Nase, mit lapidaren Texten werden direkt auf der Wand angebracht und nach dem Ende der Ausstellung wieder übermalt. So kann Perjovschi an jedem Ort gedankenblitzartig auftauchen, improvisieren und den Spot auf Politik, Globalisierung, Konsumwelt, Soziales und die lokale Kunstszene richten, um nach ein paar Tagen wieder ohne Spuren zu verschwinden. Nach so vielen Jahren als Aktivist, Regimekritiker und Zeichner des Oppositionsblattes „22“, für das sich die Menschen in Rumänien oft stundenlang angestellt haben, ist diese ephemere künstlerische Strategie auch Ergebnis einer Arbeitspraxis, die während der langen Jahre des totalitären Regimes darauf bedacht war, die Wahrheit zu sagen, aber nicht dabei erwischt zu werden. Seine Zeichensprache ist so reduziert, dass sie jeder versteht und so am Punkt, wie es zeitgenössische Kunst im besten Fall nur sein kann. Was man von Dan Perjovschi sonst noch lernt? Vielleicht Demut und Dankbarkeit für die uns völlig selbstverständlich gewordene Fülle und Vielfalt, die das westliche Kunstsystem Tag für Tag bietet.

Ihr Atelier hier in Bukarest ist aber ziemlich bescheiden für jemanden, der schon an den renommiertesten Kunstplätzen ausgestellt hat. Meine Frau sagt immer: „Im Ausland sind wir Könige, zuhause Bettler“. Wenn wir Ausstellungen haben, wohnen wir in 4-Stern-Hotels mit Frühstück und jeglichem Komfort, wir kommen zum Museum und ein Team von Leuten arbeitet nur für uns. Und hier in Bukarest hatte ich bis vor kurzem noch nicht einmal Strom im Atelier, meine Wohnung ist im Stadtteil Rahova, das ist so eine Art Bukarester Bronx (lacht). Wenn sie mir noch das Wasser abdrehen, hab ich gar nix mehr. Mit zeitgenössischer Kunst bist du in Bukarest echt im Arsch. Aber verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin glücklich. Ich lebe ein großartiges Leben, ich kann den ganzen Planeten bereisen, das war immer mein Traum.

Warum gehen Sie dann nicht einfach weg aus Rumänien?
Das fragen mich alle dauernd. Wenn ich jünger wäre, vielleicht. Ich war 30 Jahre alt, als die Revolution passierte, und ich war Teil dieses gesellschaftlichen Umbruchs. Wir haben sehr viel investiert, spirituell und überhaupt, ich kann das nicht hinter mir lassen. Meine Frau und ich kämpfen hier seit Jahren für einen Raum, in dem wir die enorme Fülle an Informationen, Kataloge, Texte, Bilder, usw., die die Rumänen in fünfzig Jahren kunsthistorischer und kultureller Isolation versäumt haben, zur Verfügung stellen können. Wir haben damals zum Beispiel viel Performance gemacht und wussten noch nicht einmal, dass es so etwas im Westen seit Jahrzehnten schon gibt.

Gibt es eine Tradition des politischen Cartoons, an die Sie anknüpfen?
Mit Cartoons konnte man immer schon etwas mehr sagen oder andeuten. Hier in Rumänien haben wir eine gewisse Tradition darin, traurige Sachen humorvoll zu verpacken, es langweilt uns fast schon. Im Westen ist das anders, dort gibt es einen großen Bedarf danach, weil man sich im Kunstfeld mittlerweile in einem so theoretischen Modus befindet, dass viele Menschen sich überhaupt nicht mehr auskennen – man braucht also diese ganz simple Vorstellungswelt, diese Einfachheit, die am Anfang nur lustig, aber dann doch komplex ist. Cartoon wird nicht als Kunst empfunden, weder von denen, die es machen, noch von denen, die es ansehen. Ich arbeite ja nach wie vor auch regelmäßig im Magazin 22, so stelle ich auf meine Weise jede Woche auch in Bukarest aus. Da weiß ich, dass mindestens 10.000 meine Zeichnungen jede Woche sehen. Und wer weiß schon, wie viele Leute auf eine Biennale kommen. (lacht)

Wie haben Sie Ihren Stil entwickelt?
Ich kann mich erinnern, als ich ein Schulkind war, machte ich pornografische Zeichnungen von meinen Lehrern, zeigte sie meinen Sitznachbarn und sie lachten so, dass sie der Klasse verwiesen wurden – das war ein Erfolgserlebnis für mich. Das Ergebnis einer simplen und ganz klaren Kommunikationsstrategie. Meine Zeichnungen wurden mit der Zeit immer simpler, ich will eigentlich so reduziert wie nur irgendwie möglich arbeiten. Das größte Kompliment, das ich je bekommen habe, war: „Du zeichnest wie mein Kind“. Das ist genau, was ich will: instinktive Ausdrucksstärke, die Fläche mit Kraft und Intuition direkter Gestaltungsmacht behandeln. Inhaltlich hat sich meine Arbeit in den letzten Jahren nicht verändert. Ich beobachte und „lese“ die Gesellschaft, ihre Politik, ihre Kultur und ihre Stereotypen. Und ich habe immer noch Humor.

Sie bemalen spontan einen ganzen Raum, ständige Improvisation und die Reduktion auf so wenige Mittel sind doch sicher sehr herausfordernd.
Einen Krieg in drei Striche zu verpacken, ist nicht gerade leicht, und ich fühle buchstäblich, wie mein Gehirn ausläuft. Ich werde enorm müde und brauche Ruheperioden, und es gibt Zeiten, in denen ich wie ein Couchpotato stundenlang vor dem Fernseher abhänge. Aber ich schäme mich dann gleichzeitig auch, so viel Zeit zu verlieren.

Wovon leben Sie eigentlich, wenn nach Ihrer Ausstellung nichts übrig bleibt?
Meine Arbeit ist vergänglich, aber wird mit einem „Permanent Marker“ gemacht (lacht). Da ist etwas Vorübergehendes, das ich sehr gerne mag, weil ich so schwer zu erfassen bleibe und nicht so leicht zur Gewohnheit, zum Gebrauchsgut werde. Aber trotzdem brauche ich auch eine finanzielle Basis, freier Markt und Ökonomie sind auch ein Weg, die eigene Kunst zu kommunizieren – das erkenne ich an, und deshalb arbeite ich auch mit einigen Galerien in Europa und Amerika. Meine Notizbücher verkaufen sich sehr gut, jedes beinhaltet in etwa 200 Original-Zeichnungen.

Tipp

Worauf werden Sie sich diesmal konzentrieren?
Wien als Ort interessiert mich rein geopolitisch sehr, vor allem als Platz, über den man sagt „Hier beginnt der Balkan“. Und die Szene hat sich sehr verändert, ich habe hier in den letzten zehn Jahren eine Kommerzialisierung der Kunstszene beobachtet, sie hat irgendwie die Kanten verloren. Eine der weltweit interessantesten Kunstinstitutionen, die Generali Foundation, ist in einer schweren Krise, es werden Entscheidung zugunsten von Geldaspekten und gegen den Inhalt getroffen, das ist schrecklich. Und im Quartier 21, das ursprünglich als Alternative zu den Institutionen im Museumsquartier etabliert wurde, kann man heute Käse und Wein kaufen.Lia Perjovschi/Perjovschi Dan, Galerie Christine König, 21.11.–12.01.2008

Dan Perjovschi und Nedko Solakov, BA-CA Kunstforum, Tresor 30.11.–03.02.2008

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.