Meine Hoffnung: LO-Feng Shui

Bravo, endlich eine Wissenschaft, die der wissenschaftlichen Überprüfung nicht zugänglich ist!

Ich fühle mich nicht wohl. Auf dem Notbett meines begehbaren Medikamentenschranks in meiner bescheidenen Beamtenwohnung im 5.Stock liegend, fühle ich mich nicht wohl. Und das, obgleich sich, laut Pendelbefund, genau hier die Erdmittelpunktstrahlen mit meinem Solarplexus-Chakra zu einem Exzellenz-Ort der Kraft vereinigen. Außerdem ist der 5.Stock wegen der 5 esoterisch-hypothetischen Horoskoppunkte (Prana, Schwarzer Mond, Ich-Punkt, Karma, Mondvertex) kosmisch ideal. Und sollte ich aufgrund eines transzendentalen Schwindels aus meinem Notbett fallen, komme ich auf meinen himalayischen Fettschwanzschafteppich zu liegen, den die 5 Tibeter geknüpft haben.

Von meinem Notbett aus erreiche ich mit beiden Händen (für den Fall, dass eine vodoogelähmt ist, Sie wissen schon, die Antipoden!) das im Halbfeldenkrais angebrachte Notregal mit den Prontopax-Forte-Zäpfen, die ich mir stets appliziere, bevor ich mich erhebe (nach der Methode des Erhabenen bei Kant). Man spricht von Rektalutopie, zu der mir mein Zäpfchenheiler mit der existenzialanalytischen Begründung geraten hat, das sei ich meinem aufrechten Stuhlgang schuldig.

Ferner: Meinen Notfernseher über meinen Arzneimitteldepots aus mondphasenbeschnittenen glücklichen Freilandhölzern habe ich nach der Methode von Pjotr Elkunoviz entstrahlt (ursprünglich für Wirbelsäulen entwickelt, doch auch auf TV-Geräte und Knöpfe, siehe unten, anwendbar). Mein Qui-Gong-Notpolster hebt meinen chthonischen Kopf psychomotorisch in das aurasomatische TV-Equilibrium (nach der Craniumsacralmethode), wobei ich die Programmfernbedienungsknöpfe (entstrahlt nach Pjotr Elkunoviz) telekinetisch drücke. Ich bitte Sie, was will man denn noch?

Aber ich fühle mich nicht wohl. Deshalb bin ich entschlossen, den – laut Wikipedia-Eintrag „Feng Shui“ – weltweit ersten lebensraumorientierten Lehrgang an der Donau-Universität Krems, NÖ, zu belegen: LO-Feng Shui, um Euro 7.485, ich weiß nicht, mit oder ohne Prüfungstaxen. Egal, Qualität ist niemals umsonst. Auf ihrer Kremser Webseite belehrt mich die Kursleitung, dass Feng Shui eine „ursprüngliche Wissenschaft“ sei, welche die „neutrale Betrachtung und Befundungsmöglichkeit für Zustände auch in der heutigen Zeit“ erlaube. Dabei kommen laut Wikipedia die „Yin-und-Yang-Lehre“, die „nach den Himmelsrichtungen ausgerichteten Acht Trigramme“ sowie die „Fünf-Elemente-Lehre“ (Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser) zum Einsatz. Die spiritualitätseminenten Ergebnisse sind auf alle Fälle plasmasignifikant.

Dem Wikipedia-Eintrag – er würdigt ausdrücklich das Engagement der Donau-Universität Krems für LO-Feng Shui (die ersten Abschlussarbeiten, leider nicht über begehbare Medikamentenschränke, waren schon für März dieses Jahres zu erwarten) – habe ich zu meiner großen Erleichterung auch Folgendes entnommen: „Feng Shui ist einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht zugänglich.“ Bravo, endlich eine Wissenschaft, die der wissenschaftlichen Überprüfung nicht zugänglich ist! Keine Faktenhuberei, keine Verstandesblässe. Gute Chancen also, dass ich mich wieder wohlfühle, nachdem mein begehbarer Medikamentenschrank um, neutral betrachtet, 7.485 Euro befundet worden ist.


peter.strasser@uni-graz.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2007)

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