Bioethikkommission: Neustart nach Ende mit Schrecken?

Nach einer sechsjährigen, farblosen Story mit erbarmungslosem Ende wäre es das Beste, die Bioethikkommission in ihrer jetzigen Form abzuschaffen.

Vor knapp vier Wochen hat SP-Staatssekretärin Heidrun Silhavy die Neubestellung des oder der Vorsitzenden und der Mitglieder der „Bioethikkommission beim Bundeskanzleramtes“ für den 5.Oktober angekündigt. Die anstehende Wachablöse (oder mögliche Wiederbesetzung der Stellen) läuft nach Mandatsablauf zwar plangemäß, spannend wird sie dennoch. Wird sich der neue SP-Kanzler von denselben (VP-nahen) Naturwissenschaftlern, Medizinern, Philosophen, Juristen und Theologen, die seinen VP-Vorgänger beraten haben, die ethischen Richtlinien der neuen Biopolitik vorgeben lassen? Oder wird er die Zusammensetzung des Gremiums so verändern, dass es ideologisch mehr in die Nähe der Sozialdemokratie rückt? Wer wird zum Vorsitzenden des Ethik-Organs gekürt?

Sechs Jahre nach der Einsetzung der Bioethikkommission ist es Zeit, Zwischenbilanz zu ziehen. Wozu brauchen wir eine Bioethikkommission? Aufgabe der derzeit aus 19 Mitgliedern bestehenden Bioethikkommission ist laut Bundesgesetzblatt die Beratung des Bundeskanzlers in allen gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen und rechtlichen Fragen aus ethischer Sicht. Die Kommission hat seit ihrer Gründung eine Empfehlung (jene, zur biomedizinischen Konvention des Europarates beizutreten, 2002) und fünf Stellungnahmen abgegeben (u. a. zur Frage der innerstaatlichen Umsetzung der Biotechnologie-Richtlinie 2002, einen Zwischenbericht in Hinblick auf eine Stellungnahme zum Klonen 2003), vier Tätigkeitsberichte und drei Sachberichte (Nanotechnologie 2007; Biobanken 2007; Präimplantationsdiagnostik 2004) vorgelegt, die auch im Internet veröffentlicht wurden. Im Vergleich mit dem deutschen Nationalen Ethikrat (12 Stellungnahmen, 15 Infobriefe, 6 Tagungsdokumentationen, 23 Protokolle von Sitzungen, Tagungen und Anhörungen und 2 Studien) eine nicht gerade überragende Leistung.

Medial kaum präsent

Das Ziel, medizinethische und biotechnologische Themen breit in der Öffentlichkeit zu debattieren, hat die Bioethikkommission nicht geschafft. Während der deutsche Nationale Ethikrat im Zentrum der biopolitischen Debatte Deutschlands stand, war die Bioethikkommission trotz einiger Pressekonferenzen und Auftritte bei verschiedenen Symposien als Mitveranstalter medial kaum präsent.

Und dann kommt noch das Problem der Zusammensetzung und des Auswahlmodus der Kommissionsmitglieder hinzu, das für die moralische Qualität ihrer Stellungnahmen nicht irrelevant ist. Das Problem der fachlichen Zusammensetzung einer Bioethikkommission ist deshalb sehr groß, weil es eine wertneutrale Wissenschaft nur auf dem Papier gibt, und ein wertneutraler Wissenschaftler nicht einmal denkbar ist. Aber auch der Auswahlmodus der Mitglieder solcher Kommissionen ist problematisch. Dass diese Berater direkt von dem zu beratenden Politiker, dem Bundeskanzler, ernannt werden ohne eine von der Öffentlichkeit kontrollierbare Auswahlprozedur, wirft ein schlechtes Licht auf die Unabhängigkeit des Gremiums. In Deutschland wurde zumindest der Vorsitzende des Nationalen Ethikrats von den Mitgliedern aus ihrer Mitte gewählt, in Österreich wird auch er allein vom Bundeskanzler bestimmt.

Moral für Politik instrumentalisiert

Da die biotechnologische Forschung in vielen Punkten auf ethische Grenzen stößt, wirft sie laufend Fragen auf, ob man alles darf, nur weil es technisch machbar ist. Darüber herrscht weder gesellschaftlicher noch politischer Konsens. Politiker können und wollen sich jedoch nicht den Vorwurf gefallen lassen, unethisch zu handeln. Und schon gar nicht den Vorwurf, forschungs- oder fortschrittsfeindlich zu sein. Ein Seiltanz, der offenbar ein Sicherungsnetz braucht: Bioethikkommissionen kommen da gelegen, um eine ethische öffentlichkeitswirksame Zertifizierung dessen zu geben, was politisch gerade durchgesetzt werden will. Dann liegt der Verdacht nahe, dass hier Moral für Politik instrumentalisiert wird. Und Bioethikkommissionen bloß zum Feigenblatt der jeweiligen Regierung werden, wenn es eigentlich darum ginge, politisch auch unpopuläre und einschneidende Regelungen im Einsatz der Biotechnologie für Zwecke der Forschung, der Heilbehandlung und der menschlichen Reproduktion zu finden.

Kommen wir zurück nach Österreich: Über den Vorsitzenden Huber wurde in den letzten Monaten Gericht gehalten – von Kollegen aus der Ärzteschaft, von Politikern, von Medienleuten und nicht zuletzt von manchen Mitgliedern der Bioethikkommission, die ihn für schuldig befanden. Warum musste Huber gehen? Sicherlich nicht wegen eines Gesetzesverstoßes. Der mediengewandte Professor ist und war zweifellos sehr geschäftstüchtig. Er war und ist Miteigentümer mehrerer Firmen. Manche davon dürften große Gewinne abwerfen. All dies war nicht nur Insidern bekannt, und auch Hubers Henker haben es lange gewusst. Doch sie haben geschwiegen. Nun bekam man den Eindruck, dass einige alte Rechnungen begleichen wollten. Interessant ist der Frontalangriff des Kommissionsmitglieds Ulrich Körtner, der laut Mitgliedern der Bioethikkommission bis jetzt mit Huber ziemlich harmonierte. Soweit es sich aus den Berichten feststellen lässt, war er bei Abstimmungen mit Huber immer einer Meinung. Die Frage muss erlaubt sein, warum er sich erst so spät in einer so angriffslustigen, unkollegialen und gehässigen Art gegen Huber gewandt hat. Körtner möchte selbst gerne neuer Vorsitzender sein, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Er wollte sichergehen, dass Huber endgültig aus dem Rennen ist. Arme Bioethikkommission, ginge diese Rechnung auf! Es ist zu hoffen, dass das Bundeskanzleramt bei diesem unsauberen Spiel nicht mitmachen wird.

Guter Anlass für Rundumerneuerung

Wird der Bundeskanzler nun versuchen, die Kommission so umzumodeln, dass sie ideologisch halbwegs auf seine Linie kommt? Das könnte ihm jetzt leichter gelingen, da kurz vor Mandatsablauf einige Mitglieder signalisiert haben, nicht mehr zur Verfügung zu stehen, und außerdem der Vorsitzende in den vergangenen Monaten als „untragbar“ deklariert wurde. Wäre es aber nicht statt eines „more of the same“ besser, völlig neu zu beginnen?

Nach einer sechsjährigen, ziemlich farblosen Story mit erbarmungslosem Ende wäre es vorerst das Beste, die Bioethikkommission in ihrer jetzigen Form überhaupt abzuschaffen. Jetzt bestünde die Chance, eine Ethikkommission zu gründen, die dem Parlament zugeordnet wird, mit einem demokratischeren Wahlmodus für die Mitglieder und mit dem Auftrag, transparent und offen zu bleiben.

Das ist der neue Weg, den die deutsche Bundesregierung nach einer ebenfalls sechsjährigen Erfahrung mit dem Nationalen Ethikrat einschlägt. Am 1.August trat das Ethikratgesetz vom 16.Juli 2007 in Kraft. Der Nationale Ethikrat wird vom Deutschen Ethikrat abgelöst, der Bundestag und Bundesregierung als unabhängiger Sachverständigenrat beraten wird. Die 26 ehrenamtlichen Mitglieder werden vom Präsidenten des Bundestages je zur Hälfte auf Vorschlag des Bundestages und der Bundesregierung ernannt. Ähnliche Modelle existieren in anderen europäischen Ländern. Man könnte sich z.B. am französischen „Comité Consultatif National d'Ethique pour les sciences de la vie et de la santé“ orientieren.

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer wäre jedenfalls gut beraten, sich etwa Neues einfallen zu lassen. Das Ende mit Schrecken des dritten Mandats des Vorsitzenden der Bioethikkommission wäre ein guter Anlass für eine Rundumerneuerung der Bioethikkommission – vorausgesetzt, der Kanzler zeigt überhaupt Interesse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2007)

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