Unmoralische Nebenbeschäftigungen?

Replik auf "Über das Korruptionsrisiko im Wiener Gesundheitssystem", von Sigrid Pilz (27.5.2006).

Ä
rztinnen und Ärzte sind gegenüber je der Diskussion offen, die ernsthaft Ver besserungen zum Ziel hat. Neidkomplexe und plumper Populismus gehören aber nicht zu unseren Themen. In einem stimme ich Sigrid Pilz zu: Wo so viel Geld umgesetzt wird, gibt es auch eine große Spielwiese für Korruption aller Art. Und das Gesundheitswesen ist nun mal die größte Dienstleistungsindustrie des Landes: Es werden mehr als 8 Prozent des BIP umgesetzt.

Dass aber das Einzige, das der Autorin hier in den Sinn kommt, die ärztlichen Honorare sind, zeugt nicht gerade von ernsthafter Beschäftigung mit diesem problematischen Thema. Die von Transparency International gemeinten korruptionsbedingten Verluste im Gesundheitswesen beziehen sich nämlich in erster Linie auf öffentliche Mittel. Frau Pilz verbindet diese Verluste jedoch seltsamerweise mit privaten Mitteln, die aber naturgemäß nicht gemeint sind. Das Geld verschwindet im Wirtschaftsbereich und durch Sozialbetrug. Auch hat der Bericht nur sehr marginal mit ärztlicher Tätigkeit zu tun, wenngleich Korruption gerade dort auf das Schärfste zu verurteilen ist.

Was allerdings noch scharf verurteilt werden muss, ist der Umgang von Frau Pilz mit den zusatzversicherten Patienten. Sie unterstellt dabei nämlich, dass jene Bürger unseres Landes, denen ihre Gesundheit etwas Wert ist und die bereit sind, privat in ihre Krankenversorgung zu investieren, Gelder für Korruption bereitstellen. Nicht anders ist es zu verstehen, wenn freiwillige Privatleistungen von Frau Pilz systematisch mit Korruption in Zusammenhang gebracht werden

Privatversicherte Patienten zahlen eine Menge Geld, um bestimmte subjektive Vorteile in Anspruch nehmen zu können. Dazu zählt einerseits die Hotelkomponente eines Krankenhauses, die von den Trägern in Rechnung gestellt wird. Die andere Seite, die wohl aus Sicht der meisten Zusatzversicherten die wesentlichere ist, bezieht sich auf eine persönliche Betreuung durch ausgewählte Ärztinnen und Ärzte. Genauer gesagt: Die Patienten erkaufen sich lediglich das Recht, direkt unter der Obhut der Primarärzte zu stehen, die sich selbstverständlich auch persönlich um die zusatzversicherten Patienten zu kümmern haben.

In Beleghäusern wiederum ist es die freie Arztwahl: Der Patient kann jeden Arzt persönlich auswählen, von dem er betreut werden will. All dies in den Topf "Korruption im Gesundheitswesen" zu werfen, ist schon ein starkes Stück, vor allem wenn man bedenkt, dass die Gehälter der Wiener Spitalsärzte, und insbesondere der Primarii, die weder Überstunden noch Nachtdienste abrechnen können, dezidiert an diese Zusatzeinkünfte angepasst und daher niedriger sind.

In Wahrheit finanzieren nämlich diese Patientinnen und Patienten die Wiener Spitalsärzteschaft durch die ihre privaten Leistungen in hohem Maße, wovon jeder zusatzversicherte Spitalspatient direkt profitiert.

Bemerkenswert ist auch die Feststellung von Frau Pilz, dass Primarärzte auf unzulässige Weise Leistungen ihrer nachgeordneten Fachärzte als eigen erbracht verrechnen. Frau Pilz weiß sehr genau, dass diese Aussage definitiv unrichtig ist. Vielmehr gehen mindestens 40 Prozent der Gelder gesetzlich geregelt an die Abteilungsärzte, unabhängig davon, ob diese eine Leistung erbracht haben oder nicht. Die Gemeinde Wien nascht definitiv ohne ärztliche Leistung mit satten 12 Prozent am Ärztehonorar mit.

Mit anderen Worten - die Abteilungsleiter können gar nicht mehr als 48 Prozent der Sondergebühren kassieren. Die meisten geben aber freiwillig wesentlich mehr ab.

Darüber hinaus ist es doch sonderbar, dass Frau Pilz Nebenbeschäftigungen, nur weil sie von Ärztinnen und Ärzten ausgeübt werden, a priori als unmoralisch darstellt. Ich dachte immer, dass Ärztinnen und Ärzte in ihrer Freizeit - wie übrigens alle anderen Berufsgruppen auch - tun und lassen können, was sie wollen.

Dass Primarii oder Ordinarii vielleicht durch ihre Qualifikation wirtschaftlich etwas erfolgreicher privat ordinieren als der eine oder andere Facharzt, mag vorkommen. Das zitierte Extrembeispiel allerdings als repräsentativ darzustellen, ist lediglich das Schüren von Neidkomplexen und damit "unterste Schublade".

Auch das Konkurrenzproblem, mit dem seltsamerweise gerade das aufgezeigte Beispiel gar nichts zu tun hat, besteht nicht, wie Frau Pilz vermutet, bei den Ärztinnen und Ärzten, die in ihrer Freizeit an der so genannten "goldenen Meile" arbeiten und in jeder Hinsicht korrekt und mit hohem persönlichen Einsatz für ihre Patienten da sind. Vielmehr besteht die Konkurrenz darin, dass private Häuser wesentlich mehr dafür tun, um für zusatzversicherte Patienten attraktiv zu werden und das ärztliche Geld dort auch nicht aufgeteilt werden muss.

Frau Pilz wäre gut beraten, als gesundheitspolitisch Tätige dafür zu sorgen, dass sich die Konkurrenzfähigkeit der Spitäler der Stadt Wien, die übrigens medizinisch Hervorragendes leisten, verbessert. Das geht allerdings mit Sicherheit nicht über eine "Enteignung" der Wiener Spitalsärzte, ganz im Gegenteil. Der Ansatz von Frau Pilz ist da etwas realitätsfern. Das von ihr selbst zitierte Beispiel mit den Ambulanzgebühren beweist ja gerade, dass die geforderte "Verstaatlichung" der Ärztehonorare absolut kontraproduktiv ist (Beispiel: Millionenverluste durch mangelhafte Abrechnungen in Graz).

Zusammenfassend ist also festzustellen, dass wir Ärztinnen und Ärzte gegenüber jeder Diskussion offen sind, die ernsthaft Verbesserungen für die uns anvertrauten Patienten zum Ziel hat. Neidkomplexe und plumper Populismus gepaart mit vorsätzlicher Unwissenheit gehören nicht zu unseren Themen.

meinung@diepresse.com Univ.-Doz. Dr. Robert Hawliczek, geb. 1954, ist Mandatar und Referent für leitende Ärzte der Ärztekammer für Wien sowie Primarärztevertreter in der Österreichischen Ärztekammer.

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