„Die Herrschaft im All sichern“

Rüstung. Der erdnahe Weltraum stehe kurz davor, zum militärischen Aufmarschgebiet zu werden, warnen Experten bei der Wiener Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag.

Wien.„Die Menschheit ist dabei, den unwiderruflichen Schritt zu tun, das All aktiv und destruktiv militärisch zu nutzen. Die Folgen werden die der Einführung von Atomwaffen übertreffen“, warnt der frühere US-Diplomat Jonathan Dean, Delegierter bei den Abrüstungsgesprächen zwischen der Nato und dem Warschauer Pakt.

Tatsächlich steht der Weltraum kurz davor, Aufmarschraum zu werden. Und vielleicht zum Schlachtfeld. Hans Blix, Ex-Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, sowie der frühere US-Verhandler bei der Genfer Abrüstungskonferenz, Robert Grey, waren daher bei der derzeitigen Wiener Konferenz zur Reform des Atomwaffensperrvertrags bemüht, diese Entwicklung bewusst zu machen; angesichts der Diskussion um die Stationierung von US-Abwehrraketen gegen ballistische Raketen in Osteuropa trat sie in den Hintergrund.

„Ich fürchte einen Rüstungswettlauf, der Trillionen Dollar kostet – und wenig Schutz und viel Unsicherheit bringt“, meinte Grey. Beide, Dean und Grey, kritisierten die USA. Die hatten jüngst in mehreren Strategiepapieren erklärt, dass man das All quasi als erweitertes Operationsgebiet des Militärs sehe; eine Haltung, die gegen den Weltraumvertrag von 1967 verstößt, ein von den USA mitunterzeichnetes Dokument, das das All allein friedlichen Zwecken vorbehält. „Daher ist es auch nicht erlaubt, dort Waffen rauf zu bringen“, so Blix. Und Grey merkt an: „Alle Regierungen sind bereit, sich bei der Militarisierung des Alls zurückzuhalten – nur nicht die jetzige US-Regierung.“

Tatsächlich wirbelte vor allem die im August 2006 von US-Präsident George W. Bush unterzeichnete Weltraumdoktrin viel Staub auf: Da steht etwa, dass man die „Vorherrschaft im Weltall sichern“ und „uneingeschränkte Handlungsfähigkeit“ behalten wolle. Man werde Staaten, die „US-Interessen feindlich gesinnt sind“, die Nutzung des Alls verweigern. Und: Man lehnt jedes neue Rechts-Regime ab, das die Nutzung des Alls beschränkt.

Das gilt offenbar auch für die Stationierung von Waffen: Seit Jahren weisen die USA in der Genfer Abrüstungskonferenz Vorstöße, alle Waffen im All zu verbieten, zurück. 2005 stimmten sie als einziger von 161 Staaten gegen den Vorschlag, über ein Verbot zu beraten.

Dabei sind die USA hier weit vor Russland Führungsmacht. Zwar sind, soweit bekannt, noch keine Waffen im All. Doch könnten vor allem die USA das rasch ändern. Genug Projekte gibt es. Etwa:

Killersatelliten:Sie zerstören Satelliten oder werfen sie aus der Bahn, indem sie sie mit Laser oder Raketen beschießen oder rammen;

Erdbekämpfungssatelliten: Angriffe auf Erdziele mit Laser oder Raketen. Oder mit „Rods from God“, den „Bolzen Gottes“: Stäbe aus Wolfram, die abgeworfen werden. Sie verglühen beim Flug zur Erde nicht und würden gewaltig einschlagen.

Umgekehrt gibt es viele Projekte, um Satelliten und Raumschiffe von der Erde aus zu bekämpfen.

Antisatellitenraketen: In den 80ern wurde die ASM-135 entwickelt; eine Jagdstaffel der US-Airforce kann diese aus 26 km Höhe abfeuern. Auch China experimentiert mit bodengestützten Raketen.

Boden-/Luftgestützte Laser: Die USA betreiben in New Mexico das „Starfire“-Observatorium, Russland und China ähnliche Systeme. Heuer testen die USA „Big Crow“, einen Laser an Bord einer Boeing-747.

Dass die USA von All-gestützten Systemen wie Kommunikationssatelliten extrem abhängig sind, mag Mitgrund für diese Aufrüstungspläne sein; zudem zeigen auch neue Staaten wie China und Indien Tendenzen in diese Richtung.

Dass der Rüstungswettlauf im All kommt, bleibt indes nicht unwidersprochen. So meint Everett Dolman, Professor für Militärwissenschaft an der „School of Advanced Air and Space Studies“ in Alabama: „Die USA sind der mächtigste Staat, auch im Weltraum. Wahrscheinlich machen andere bei der Aufrüstung im All einfach nicht mit, weil sie sehen, dass es unglaublich teuer und aufwendig wäre, den Fähigkeiten der USA auch nur nahe zu kommen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2007)

RUSSLAND: Waffen im Schrank

ISRAEL: Kooperation mit USA

CHINA: Der neue Player

ANDERE STAATEN: Zögerliche Schritte



Die UdSSR betrieb vor allem die Entwicklung von Killersatelliten; der erste startete am 25.2.1971 und zerstörte am selben Tag den Test-Satellit "Kosmos 394" per Kollision. Es gab Pläne zur Stationierung von Kernwaffen im All. In den 70er-Jahren beschädigten bodengestützte Laser mehrere US-Satelliten. In den 90ern wurde an neuen Laser- und Anti-Satellitenraketen (etwa am System "Narjad") gebaut. Die russische Luftwaffe gründete vor wenigen Jahren ein Weltraumkommando, das so manches Waffensystem im Schrank haben dürfte. Die Weltraumbehörde Israels (1983 gegründet) ist ein Ableger der Luftwaffe und brachte neben einigen zivilen Satelliten vor allem mehrere militärische Aufklärungssatelliten vom Typ "sOfeq"s-13;0 ("Horizont") mit eigenen Raketen ins All. Zusammen mit den USA gab es ein Projekt zum Bau eines Lasers, der ballistische Raketen abfangen sollte; es wurde eingestellt. Dafür entwickelten beide Staaten die "Arrow", eine Rakete zum Abfangen ballistischer Raketen in Höhen zwischen acht und 50 km; sie könnte auch hochgerüstet werden, um Ziele in noch größeren Höhen zu treffen. Peking hatte immer besonders laut gegen Weltraumwaffen gewettert. Die Überraschung war daher groß, als September 2006 ein US-Spionagesatellit von einem bodengestützten chinesischen Laser "markiert" wurde; der Strahl hätte den Satellit auch zerstören können. Dann schossen die Chinesen am 11. Jänner 2007 ihren alten Wettersatelliten "Fengyun-1C" mit einer vom Boden gestarteten Rakete ab - die erste derartige Aktion in der Geschichte. China dürfte die Technik weiterentwickeln und auch imstande sein, Killersatelliten zu bauen. Viele Länder haben militärische Aufklärungssatelliten, aber keine Weltraumwaffen im engeren Sinn. 2006 gründete Indien ein Weltraumkommando, das der Luftwaffe unterstellt ist; dazu entsteht ein Netz von Aufklärungssatelliten. Brasilien arbeitet ebenfalls an einem solchen. Mehrere europäische Staaten, darunter Italien, Deutschland und Spanien, verfügen über militärische Aufklärungssatelliten; jedoch wären derzeit nur Frankreich und Großbritannien technisch in der Lage, Raketen oder Laser zur Bekämpfung von Satelliten zu bauen oder gar Killersatelliten im All zu stationieren.

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