Politische Kunst: Mit Polizei gegen Putin-Poster

Der dänische Künstler Jan Egesborg wurde am Dienstag in Wien von der Polizei gestoppt: Mit der „Presse“ sprach er über seine satirischen konfiszierten Plakate.

Tötet Helmut Kohl!“ skandierte 1997 Christoph Schlingensief bei der Documenta in Kassel. Worauf die Polizei ihn festnahm und zumindest zum Plaudern aufs Revier mitnahm, glaubt man den überlieferten höflichen Gesprächsfetzen zwischen Künstler und Polizisten.

Am Vortag des Putin-Besuchs in Wien geschah Ähnliches mit dem dänischen Poster-Künstler Jan Egesborg: Nachdem er am Karlsplatz Plakate aufgeklebt hatte, auf denen über einem Putin-Porträt groß „Erschießt Putin“ zu lesen war, wurde er von der Polizei festgehalten. Am Revier wurde dann wohl über Kunst und Freiheit diskutiert – denn der Sinn des Posters ändert sich durch das (sehr) Kleingedruckte: Der Zusatz „... Journalisten?“ macht aus der Aufforderung „Erschießt Putin“ eine kritische Frage – die sich nach Ermordung der Journalistin Anna Politkowskaja viele Gegner des russischen Präsidenten stellten. Am späten Nachmittag wurde Egesborg schließlich wieder freigelassen. Seine Posters allerdings, so der Künstler, dürfe er dennoch nicht weiter aufhängen.

In den Höhlen der Löwen

Spätestens seit dem Streit um die Mohammed-Karikaturen ist bekannt, dass mit der satirischen Kunstszene in Dänemark nicht zu spaßen ist. „Wir haben eine lange satirische Tradition und sind alle Kinder von ihr“, erklärte Egesborg schon am Montag bei einem Interview der „Presse“. Gemeinsam mit Pia Bertelsen ist er seit 2006, seit die beiden ehemaligen Journalisten das Begräbnis Milosevics besuchten, als Guerilla-Kunstgruppe „surrend“ aktiv. Ziemlich unverfroren und meist direkt in der Höhle des Löwen selbst legen sie sich mit denen an, die sie als Despoten dieser Welt identifizieren.

Den iranischen Präsidenten Ahmadinejad ließen sie etwa per verschlüsselter Anzeige in seinem hauseigenen Propagandablatt „Teheran-Times“ wissen, was sie von ihm halten: Beachtete man nur die Anfangsbuchstaben von fünf, eigentlich gegen die USA gerichteten Sätzen, stand da plötzlich S-W-I-N-E zu lesen. Zynischer Absender: „Dänen für den Weltfrieden“. Eine Aktion, die durch die internationalen Medien ging.

Aber Überraschung: Keine Todesdrohungen, keine Fatwa folgten, erzählt Egesborg, der in seiner Heimat als Posterkünstler bereits museale Weihen erhielt und mittlerweile für seine Kunst mit permanenter Angst zu leben gelernt hat. Sehr wohl folgten aber tausende E-Mails aus aller Welt, teils belustigte, teils zustimmende, teils wütende. Diese Reaktionen sind es, die „surrend“ mit ihren derben Spässen erreichen wollen. Die Leute sollen durch die satirischen Aktionen wenn nicht gar bestärkt in ihrer Opposition gegen die Übermächtigen, so doch zumindest aufgerüttelt werden. Ihr Antrieb sei Friede und Humor, so Egesborg.

Wichtig ist bei „surrend“ – das Wort ergibt sich aus dem verstümmelten englischen „surrender“, „sich geschlagen geben“ – immer der zweite Blick. Wie bei der gestern von der Polizei verhinderten Aktion in Wien. Ein zweites Plakatsujet, das der Künstler ebenfalls im Vorfeld der „Presse“ gezeigt hat, druckt ein fiktives Grußwort Putins an die Österreicher ab: Er radebrecht auf Deutsch über die baldige Einverleibung des Landes und, zur Erheiterung Wodka-trunkener Minister im Kreml, über Journalistenmord. Ein kurzer Auszug aus der von „surrend“ gefälschten Putin-Homepage „www.prezidenta.ru“, wo erfundene innere Monologe Putins über Sex, Religion, den Tschetschenien-Krieg und ähnlich garantiert provozierende Themen zu lesen sind. Auf Russisch.

So wolle man vorführen, wie es hinter der glatten Fassade des Präsidenten aussehen könnte, so Egesborg. Vor einiger Zeit scheint der Kreml versucht zu haben, diese Seite zu eliminieren – jedenfalls war sie plötzlich aus dem Internet verschwunden und man musste eine neue Kopie online stellen.

Gefälschte Nazi-Plakate gegen NPD

Aktiv war „surrend“ bisher bereits in der Türkei, Polen, Serbien und Sri Lanka. In Bagdad verbreiteten sie tausende zynische Peace-Poster, die aufriefen, doch weiterhin der Propaganda zu glauben und so das Leben kompliziert zu halten. Und in Deutschland versuchten sie dieses Frühjahr mit verfremdeten NS-Plakaten gegen die Wahlerfolge der NPD zu protestieren – was ihnen eine Klagsdrohung der Partei einbrachte.

„Wir haben verrückte Ideen und setzen diese auch um“, meinte Egesborg am Montag. Am Dienstag kam „surrend“ dabei erstmals die Polizei dazwischen. Allerdings nicht die irakische oder türkische, wie die Künstler es eher erwartet hätten. Sondern die Wiener.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2007)

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