EU zahlt für Irak-Flüchtlinge

Lastenausgleich. Die Innenminister vergelten den am meisten betroffenen Staaten zwar die Aufnahme von Asylwerbern, lehnen eine gerechtere Verteilung aber dankend ab.

Luxemburg/Brüssel. Sie leben in ständiger Angst, oft eingesperrt in ihren eigenen vier Wänden. Täglich ist ihr Leben von Attentätern oder Kidnappern bedroht: Für Männer, Frauen und Kinder im Irak ist der „ganz normale“ Alltag zur Hölle geworden. Jeden Monat, so schätzt die UNO, verlassen 50.000 Menschen ihre Häuser. Insgesamt sind vier Millionen auf der Flucht. Etwa die Hälfte davon lebt in den Nachbarstaaten Syrien, Jordanien, Iran oder Libanon.

Der Flüchtlingsstrom nach Europa ist – noch – relativ gering: 20.000 Iraker flohen 2006 in die EU. Doch die Anzahl könnte sich laut UNO heuer verdoppeln. In Europa finden die Iraker allerdings meist fest verriegelte Tore vor: Im EU-Schnitt liegt die Anerkennungsrate von Asylanträgen nur bei zehn Prozent. Menschenrechtsorganisationen und die UNO haben wiederholt an die EU appelliert, Iraks Nachbarländer zu entlasten, mehr Flüchtlinge aufzunehmen und ihnen mehr Rechte zu gewähren.

Darüber diskutierten die EU-Innenminister am Freitag in Luxemburg. Grünes Licht wollten sie aber vorerst nur für ein umfassendes Hilfspaket geben: 18 Millionen Euro sollen für irakische Flüchtlinge bereitgestellt werden. Davon sollen elf Millionen Euro an den Irak und seine Nachbarstaaten gehen, sieben Millionen Euro sind für jene EU-Staaten vorgesehen, die irakische Flüchtlinge aufnehmen.

Schweden hatte mehr als nur Geld gefordert: Das skandinavische Land verlangte, dass die Flüchtlinge in der Union „gerechter“ verteilt werden. Denn es ist das einzige EU-Mitglied, das fast alle Asylanträge aus dem Irak absegnet. Allein im vergangenen Jahr nahm Stockholm knapp 9000 Iraker auf. Weitaus weniger gastfreundlich sind da andere EU-Staaten. Großbritannien etwa hat 2006 einen Großteil der irakischen Asyl-Anträge zurückgewiesen und sogar einige Menschen in den Nordirak abgeschoben. In Österreich suchten 2006 laut UNHCR 380 Iraker um Asyl an. Nur 92 wurden als Flüchtlinge anerkannt.

Unterstützt wurde Stockholm von Malta, dessen Innenminister Tonio Borg eine „Lastenverteilung“ in der europäischen Flüchtlingspolitik forderte. Dies müsse aber nicht nur für irakische, sondern auch für afrikanische Flüchtlinge gelten, verlangte er.

„Es wäre verfrüht, schon jetzt mit einem Schutzprogramm zu beginnen“, konterte Innenminister Günther Platter. Auch die meisten seiner EU-Kollegen sahen angesichts der „geringen irakischen Flüchtlingsanzahl“ keinen Anlass, eine EU-Sonderregelung zu aktivieren, die eine „Aufteilung“ der Flüchtlinge auf die EU-Mitglieder vorsieht. Dieser Mechanismus wurde während der Jugoslawien-Kriege ins Leben gerufen.

Grenzschutz verstärkt

Die EU-Minister einigten sich auch auf 450 Mann starke EU-Einsatzteams, die bei Flüchtlings-Katastrophen zum Einsatz kommen sollen. Insgesamt wollen die EU-Staaten zudem 21 Flugzeuge, 27 Hubschrauber und 116 Schiffe für den Krisenfall zur Verfügung stellen. Österreich will fünf Fahrzeuge mit Wärmebildkameras, einen Hubschrauber, aber auch drei bis vier von insgesamt 20 Trainingseinheiten anbieten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2007)

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