Fischer: „Grundwerte“ statt „Beliebigkeit“

(c) DiePresse (Michaela Bruckberger)
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Bundespräsident Heinz Fischer sagt im Interview, dass eine Gesellschaft, die sich an den Humanismus und die „christlichen Wurzeln“ hält, anderen überlegen ist.

Die Presse: Hat man sich in Österreich zu sehr in Sicherheit gewogen, dass der Extremismus nicht auf uns überschwappen wird?

Heinz Fischer: Es gibt keine Insel der Seligen mehr – aber Österreich ist nach wie vor eines der sichersten Länder. Wir müssen alles tun, damit das auch in Zukunft so bleibt.

Ist es nicht ein wenig naiv, nur auf Dialog zu setzen? Muss man schärfer gegen Radikalismen vorgehen?

Fischer: Dialog kann nicht falsch sein, ist aber für sich allein nicht genug. Man muss auch soziale Ursachen von Radikalisierung bekämpfen. Es ist unbestreitbar, dass Personen mit Migrationshintergrund vom Bildungssystem mehr gefördert werden müssen. Auch das ist ein Beitrag zu Stabilität und Sicherheit. Es ist eine Kombination aus polizeilichen, sozialen und gesellschaftlichen Maßnahmen nötig.

Überlassen die Parteien das Thema Ausländerpolitik nicht zu sehr den Freiheitlichen?

Fischer: Ich bitte um Verständnis, dass ich das nicht unter parteipolitischen Gesichtspunkten sehen möchte.

Sie sorgen sich nicht, dass die FPÖ wächst?

Fischer: Mir würde Sorge machen, wenn es jetzt hysterische Überreaktionen gibt.

Wie begegnet man als säkulare Gesellschaft einer so starken Glaubensgemeinschaft wie dem Islam?

Fischer: Ich möchte andere Religionen nicht als Feindbild betrachten. Gewaltanwendung, Gesetzesbruch, Intoleranz: Das sind unsere Gegner, nicht ein Glaube oder eine bestimmte Religion.

Minarette sind zum Symbol eines Kulturkampfes geworden. Jörg Haider will sie verbieten, Erwin Pröll hält sie für „artfremd“.

Fischer: Das Wort artfremd zählt im politischen Zusammenhang nicht zu meinem Sprachschatz. Ich verweise auf das Grundrecht der Freiheit der Religionsausübung.

Muss sich die christliche Glaubens- und Wertegemeinschaft besser gegen radikale Tendenzen anderer Religionen zur Wehr setzen? Ist der Werteverfall ein Problem?

Fischer: Ich lehne jede Form von Radikalismus ab. Natürlich ist mir eine Gesellschaft, in der bestimmte Grundwerte hochgehalten werden, sympathischer als eine, in der Beliebigkeit herrscht.

Besinnt sich die Konsumgesellschaft zu wenig auf die wahren Werte?

Fischer: Ich will keine Vorschriften machen. Ich bekenne mich zu den Menschenrechten und den Prinzipien des Humanismus. Ich achte die christlichen Wurzeln der europäischen Gesellschaft und glaube, dass eine Gesellschaft, die sich daran hält, anderen überlegen ist.

Das könnte auch ein Katholik so sagen. Hat Sie der Papst bekehrt?

Fischer: Er hat es gar nicht versucht.

Hat er Sie beeindruckt?

Fischer: Ja. Solche Begegnungen sind wertvoll.

Er hat Sie aber nicht als jemand beeindruckt, der Sie zum Glauben führen könnte?

Fischer: An meinen privaten Überzeugungen hat sich nichts geändert.

Was hat Sie dann beeindruckt?

Fischer: Seine innere Sicherheit, verbunden mit einer weiten Gesprächsfähigkeit – auch über Themen, die nicht aus dem katholischen Bereich stammen.

Könnten Sie das mit dem Dalai Lama nicht genauso besprechen?

Fischer: Das habe ich schon, zumindest bei zwei Begegnungen.

Wem stehen Sie näher?

Fischer: Das kann ich so nicht beantworten.

Eine zentrale Botschaft des Papstes betraf die Abtreibung. Nimmt man das Thema zu wenig ernst?

Fischer: Familienpolitik ist wichtig. Wir müssen uns um eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf bemühen. Aber beim Schwangerschaftsabbruch würde ich in der Rückkehr zur Strafdrohung keinen Fortschritt sehen, im Gegenteil: Damit würden Frauen wieder in die Illegalität gedrängt, und manche könnten es sich richten. Das war ja die Situation vor 1975. Ich bekenne mich zur Fristenlösung, die wir nach vielen Verhandlungen und gar nicht leichten Herzens damals beschlossen haben.

Derzeit wird diskutiert, ob die „Pille danach“ rezeptfrei abgegeben werden soll. Wären Sie dafür?

Fischer: Das sollen die Ärzte entscheiden.

Der Papst hat auch die Kinderlosigkeit beklagt. Wie kann man die Menschen ermuntern, wieder mehr Kinder zu bekommen?

Fischer: Indem man eine kinderfreundlichere Gesellschaft schafft. Wahr ist, dass die postindustriellen Gesellschaften in Europa durch sinkende Geburtenraten gekennzeichnet sind. Interessanterweise haben zum Beispiel die skandinavischen Staaten und Frankreich Gegenmaßnahmen gefunden. Wenn die Zahl der Kinderbetreuungseinrichtungen stimmt und es mit der Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen klappt, wird sich das bessern.

Ein anderer Vorstoß des Papstes betraf die Ablehnung der Sonntagsarbeit. Wo stehen Sie?

Fischer: Ich habe Sympathie für die Haltung des Papstes – und der Gewerkschaften. Die Idee einer gemeinsamen schöpferischen Pause, eines Innehaltens, erscheint mir wertvoll.

Haben Sie auch Sympathie für die Forderung von Sozialminister Buchinger nach einer vierprozentigen Lohnerhöhung für alle?

Fischer: Sagen kann man vieles. Aber die faktischen Lohnerhöhungen sollen und werden in Sozialpartner-Verhandlungen zustande kommen.

Alt-Kanzler Franz Vranitzky hat gewarnt, dass die Rechten immer frecher werden. Er wünscht sich klarere Worte. Was sagen Sie?

Fischer: Ich bin nicht derjenige, der laufend politische Ordnungsrufe erteilt. Wenn es wirklich gravierende Anlässe gab, habe ich mich zu Wort gemeldet.

Stört es Sie gar nicht, wenn die FPÖ inseriert: „Daham statt Islam. Wir haben Recht“?

Fischer: Da vertraue ich auf die Klugheit der Österreicherinnen und Österreicher.

Frankreichs Außenminister Kouchner hat, bezogen auf den Atomstreit mit dem Iran, gesagt: „Das ist der Krieg.“ Was halten Sie davon?

Fischer: Ich bin froh, dass sich kein österreichischer Politiker so geäußert hat. Die Weisheit des 21.Jahrhunderts müsste darin bestehen, Krieg als Instrument der Politik nicht in Erwägung zu ziehen.

ZUR PERSON: Bundespräsident Heinz Fischer

Seit 2004 ist Heinz Fischer (68) Bundespräsident. Er hat eine lange SPÖ-Karriere hinter sich, fungierte auch als stv. Parteivorsitzender. Von 1990 bis 2002 war er Präsident des Nationalrates, zwischen 1983 und 1987 Wissenschaftsminister.

Zu den Parteien hält er seinen Aussagen zufolge „Äquidistanz“, die ÖVP verdächtigt ihn aber, die Geschäfte der SPÖ zu besorgen. In Glaubensfragen bezeichnet er sich als „Agnostiker“, beim Papstbesuch war er trotzdem stets präsent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2007)

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