Ein Preis hat seinen Preis

Architekturpreise: verdienter Lohn für Talent, Mut und Kreativität? Ein Gradmesser für die Baukultur? Oder doch nur Pausenfüller fürs bunte Event? Über Sinn und Unsinn von Auszeichnungen.

Preise und Auszeichnungen sind des Architekten Zuckerbrot. Auch wenn sich diese Ehrungen meist nicht direkt geldvermehrend auf das Konto auswirken, sind sie eine unverzichtbare Anerkennung im selbstständigen Berufsleben des Architekten. Preise honorieren Talent und Beharrlichkeit, ja, den oft zähen Kampf des Architekten um architektonische Qualität. Und sie sind der psychohygienische Ausgleich für den in keiner anderen Berufsgruppe auch nur annähernd so hohen Einsatz von Geld und Arbeitszeit für die Teilnahme an unbezahlten Wettbewerben, ohne die viele Architekten kaum eine Chance hätten, je einen größeren Bau zu realisieren. Preise verhelfen dem Architekten zu Publicity und steigern seinen Marktwert. Wird ein Preis nicht nur retrospektiv ausschließlich an etablierte Architekten verliehen wie beim Nobelpreis unter den internationalen Architektenehrungen, dem „Pritzker Preis“, dann kann mit einer Juryentscheidung junges, kreatives Potenzial gefördert werden.

Über die öffentlich gemachte Wertschätzung von herausragenden Einzelleistungen hinaus haben Architekturpreise und Auszeichnungen Bedeutung, weil sie Gradmesser für Entwicklungen und Tendenzen im Bauen und für den Umgang mit der Baukultur eines Landes sind.

Ende März wurde in Graz der „Architekturpreis des Landes Steiermark 2006“ verliehen. Den Preis bekam der Salzburger Architekt Simon Speigner mit seinem Team für eine Lagerhalle im obersteirischen Scheifling. In ihrer Begründung hält die Jury unter anderem fest, dass die scheinbar banale Aufgabe einer Lagerhalle in einer unaufdringlichen Eleganz und durch intelligenten Einsatz von Materialien gelöst wurde (nachzulesen auf www.gat.st). Auch wenn die Qualität des prämierten Bauwerks nicht in Zweifel gezogen werden soll, so lässt sich doch darüber diskutieren, ob mit der Prämierung einer – wenn auch markanten – Hülle eines standardisierten Hochregallagers nicht ein falsches Signal gesetzt wird. Immerhin hat die Architektur in der Steiermark lange Zeit internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil die Arbeit der hier ansässigen Architekten gekennzeichnet war von einem stark ausgeprägten eigenständigen Formwillen, der außergewöhnliche Räume und Architekturen entstehen ließ. Doch Fragen im Kontext mit dem aktuellen Architekturgeschehen der Steiermark werden von der Jury nicht angeschnitten, ebenso wenig wird thematisiert, dass es im Vergleich zu 2004 eine erstaunlich niedrige Zahl an Einreichungen gegeben hat.

Dabei könnte die Vergabe von Auszeichnungen Anlass für Analysen sein, die nicht nur den aktuellen Stand der Architekturproduktion eines Landes (oder einer Baubranche), sondern darüber hinaus auch Handlungsbedarf feststellen und Orientierung für die Zukunft geben. Beim Staatspreis Architektur, der alle zwei Jahre alternierend spartenbezogen vergeben wird, geschieht dies ansatzweise, indem jeweils ein fachlich versierter Referent eingeladen wird. Andere Preisverleihungen hingegen tendieren zur Eventisierung, bei der die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand der Ehrung, der Architektur, zum Pausenfüller degradiert wird.

Um Reputation und Wert zu erhalten, müssen nicht nur die ausgezeichneten Bauten einem hohen Qualitätsanspruch genügen, sondern auch die Modalitäten von Auszeichnungen. Es beginnt mit den Zugangsbedingungen. Einreichgebühren für die Teilnahme sollten, jedenfalls bei Preisverleihungen durch Industrie und Firmen, abgeschafftwerden. Ein Beispiel: Akzeptanz und Renommee des neuen Holzbaus sind maßgeblich den Architekten zu verdanken, die mit immer mehr qualitätsvollen Holzbauten tägliche Überzeugungsarbeit leisten. Damit tragen sie nicht nur zur Renaissance des Holzbaus hierzulande bei, sondern auch zum Ansehen eines Preises. Sie für ihre Beiträge bezahlen zu lassen – wie beim Steirischen Holzbaupreis – ist daher unstatthaft.

Wertschätzung drückt sich auch in der Bereitschaft des Auslobers aus, in Auszeichnungen zu investieren. Das gilt für Firmen, deren Preise schon allein deshalb mit Geldleistung verbunden sein sollten, weil jedes ausgezeichnete Gebäude auch für das Unternehmen, dessen Materialien oder Bauteile eingesetzt wurden, einen Werbewert darstellt. Seriös ist ein Preis dann, wenn alle Beteiligten für ihren Aufwand angemessen bezahlt werden. Es kann nicht sein, dass ein Auslober wie das Land Steiermark zwar beschließt, den Landesarchitekturpreis mit einer Donation auszustatten, zugleich jedoch die Bezahlung der Jurymitglieder einstellt. Viel gefragte qualifizierte Architekten werden derartige Jurys dankend ablehnen. Zudem darf weder zeitlicher noch der finanzieller Aufwand für eine Jurierung gescheut werden, um zu ermöglichen, dass alle Objekte, die in die engere Wahl kommen, vor Ort besichtigt werden. Seriös ist ein Preis, wenn die Abgeltung der Rechte für Bildmaterial, das der Veröffentlichung dient, nicht an die Architekten delegiert wird, sondern die Foto-grafen vom Auslober honoriert werden.

Eine angemessene Würdigung ist die eigens erstellte, vielfach zu verteilende Publikation in Form einer gedruckten oder vollständig im Netz abrufbaren Dokumentation. Sie ist oder besser wäre, weil ihre Erstellung nicht selbstverständlich ist, im besten Sinn ein Beitrag zur Architekturvermittlung. Wer recherchiert, bemerkt, dass in beiden Medien kaum einmal die Namen aller Einreicher und Projekte genannt werden, dass oft weder Bewerbungsgrundlagen nochdie Zahl der Einreicher erwähnt werden, im Netz oft Juryzusammensetzung und Fotoquelle fehlen und Archive über Preise früherer Jahre, wenn überhaupt, nur lückenhaft zu finden sind.

Ausschreibungsmodalitäten werden dann lieber verschwiegen, wenn sie die Objektivität der Vergabe von Auszeichnungen schmälern könnten. Um ins Auswahlverfahren für die Beiträge im „Jahrbuch der Architektur“, das vom Haus der Architektur Graz herausgegeben wird, aufgenommen zu werden, muss ein Architekt bereit sein, einen Druckkostenbeitrag für die Publikation zu leisten. Diese selektive, objektive Entscheidungen konterkarierende Maßnahme ist kein Einzelfall. Insider wissen, dass immer mehr Publikationen zur Architektur so zustande kommen. Ein „best architects 07“ befriedigt daher in erster Linie die Eitelkeit der darin genannten Architekten. Ob solcherart Auswahlverfahren dazu beitragen, den Qualitätsbegriff in der Architektur publik zu machen, sei dahingestellt. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2007)

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