Fußball: Österreich läuft die Zeit davon

(c) Gepa (Martin Dirninger)
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ÖFB-Team. Die Mannschaft von Josef Hickersberger hat in den vergangenen zwölf Monaten keine Fortschritte gemacht. Abwehrspieler Stranzl übt Kritik an einigen Euro-Kandidaten.

Wien. Am Donnerstag stehen die Schweiz und Österreich exakt ein Jahr vor der Fußball-Europameisterschaft 2008. Die Eidgenossen sind sportlich absolut konkurrenzfähig, wie beispielsweise das 1:1 am Samstag gegen Argentinien beweist. Das rotweißrote Nationalteam erreichte gegen eine andere Mannschaft aus Südamerika zwar auch ein Unentschieden, aber die Mannschaft von Josef Hickersberger ist vom europäischen Spitzen-Fußball meilenweit entfernt. Der 0:1-Niederlage gegen Schottland folgte im schwach besuchten Hanappistadion ein 0:0 gegen Paraguay, mit der Weltklasse-Auswahl von Argentinien nicht zu vergleichen. Im dritten Spiel in Serie gelang kein Torerfolg, dass Österreich in der zweiten Hickersberger-Teamchef-Ära erstmals ohne Gegentreffer blieb, das können nicht einmal ÖFB-Berufsoptimisten als Erfolg verkaufen.

Termin-Ausreden

Österreichs Team tritt am Stand, die meisten Euro-Kandidaten machen keine Fortschritte. In den vergangenen zwölf Monaten ist es dem Teamchef zwar gelungen, den Kreis der Nationalspieler zu erweitern, Euro-Reife aber besitzen sie noch immer nicht. Nur ein einziges Mal ist es gelungen, sich zu einer Höchstleistung aufzuschwingen, als man in Innsbruck EM-Partner Schweiz in die Knie zwingen konnte. Im Herbst 2006 spielte man nach dem „Schicksalsspiel“ in Liechtenstein gegen einen WM-Starter zumindest 45 Minuten lang so, dass Hoffnung aufkeimte. Der darauf folgende Sieg gegen Trinidad & Tobago war aus heutiger Sicht eher auf die Schwäche des Gegners zurückzuführen.

Die ÖFB-Auswahl bleibt bis zum nächsten Länderspiel am 22. August gegen Tschechien im Kalenderjahr 2007 sieglos. Nach der Doppelnull gegen Paraguay beklagte GAK-Verteidiger Joachim Standfest, „dass der Spieltermin nicht sehr glücklich war.“ Und meinte weiters: „Wir hatten eine Woche Urlaub. Dann wieder Spannung aufzubauen, ist sehr schwierig. Und zwischen den beiden Spielen hatten wir nur ein Training, das ist für Aggressivität und Fitness katastrophal.“

Aussagen, die auf ein österreichisches Phänomen deuten. Denn kaum ein Termin für eine internationale Konfrontation scheint offenbar für Standfest und Co. ideal zu sein, Erklärungen dafür liefern die Betroffenen in der Regel selbst: Im Februar stecken die Teamspieler nach der Winterpause noch mitten in der Vorbereitung, im Sommer sind sie gezeichnet von der langen und strapaziösen Saison, im August sind sie nach der Sommerpause noch nicht in Form, im Herbst leiden sie unter der Mehrfachbelastung mit Meisterschaft und Pokal. Mit Glück kommen noch Europacup-Einsätze dazu. Wie Profis von Chelsea, Bayern oder Real Madrid ihren Job bewältigen, das bleibt den heimischen Fußballern ein Mysterium.

Alltagsarbeit nicht gemacht

Einer, der immer mehr zum Lautsprecher im Team avanciert, ist Martin Stranzl. Der gebürtige Burgenländer ist einst als Jugendlicher nach Deutschland (zu 1860 München) gegangen, später wechselte er von Stuttgart zu Spartak Moskau. Nach einer Viruserkrankung hat er zuletzt fünf Wochen pausieren müssen, dennoch war der Innenverteidiger bester Österreicher, auch wenn die Kräfte nur für 45 Minuten gereicht haben. Bis zur Pause stemmte sich Stranzl vehement gegen die überlegenen Südamerikaner. „Ich habe eine gewissen Vorbild-Funktion, also habe ich versucht, ein Zeichen zu setzen. Der eine oder andere ist auch mitgezogen“, kommentierte er die Kompromisslosigkeit, mit der er in die Zweikämpfe ging. Einige Kicker hätten aber noch immer nicht verstanden, worum es gehe. „Manche Spieler machen es sich zu einfach. Sie denken, es ist noch viel Zeit bis zur Euro, aber es ist gar keine Zeit mehr!“ Rotweißrot läuft die Zeit davon. Jeder Nationalspieler müsse mehr an sich arbeiten, taktisches Gespür könne man nicht nur beim Team erwerben, „das muss beim Verein im Alltag geschehen.“

Liga ist zu schwach

Für Stranzl ist es unwahrscheinlich, dass sich Euro-Kandidaten daheim in der Bundesliga so entwickeln, wie es der internationale Fußball erfordert. „In unserer Liga ist es schwer!“ Rät der Moskau-Legionär Jung-Kollegen wieder einmal dazu, den Sprung ins Ausland zu wagen. In den vergangenen Tagen hat allerdings kein Österreicher Werbung in eigener Sache gemacht. Ganz im Gegenteil. Die Leistungen gegen Schottland und Paraguay haben eher abschreckende Wirkung.

Josef Hickersberger hat seit Amtsantritt allen Profis, die für die Euro eventuell in Frage kommen, eine Chance gegeben. Positiv überraschen konnte ihn kaum einer. Der Teamchef ist zumindest personell mit seinem Latein am Ende. „So schwierig habe ich es mir nicht vorgestellt...“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2007)

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