24 Stunden Live: Das Leben des Justin Kan

Ego-Marketing pur. Ein 23-jähriger Amerikaner überträgt sein Leben rund um die Uhr live ins Internet.

Die Idee ist eine Mischung aus Filmen wie „Being John Malkovich" und der „Truman Show": Justin Kan, ein 23-jähriger Yale Absolvent, überträgt sein Leben in Echtzeit ins Internet. 24 Stunden am Tag. Sieben Tage die Woche. Toilette, Bade- und Schlafzimmer inklusive.

Jeder der Justins Webseite besucht, kann die Welt durch seine Augen sehen: Eine Kamera, die am Kopf befestigt ist, zeichnet sie in der Ego-Perspektive auf. Eine schnelle mobile Internetanbindung und spezielle Software senden das Signal ins Netz. Ein Battery-Pack versorgt das System mit Strom. Im Hintergrund wird selbstverständlich alles aufgezeichnet. Selbst ins Bild rückt Justin aber nur wenn er schläft. Dann nimmt er die Kamera ab und richtet sie auf sein Bett.

Für sein Publikum ist Justin über Handy und ein Chat-Fenster erreichbar, das sich unter dem Live-Video auf seiner Webseite befindet. Wirklich surreal wird es, wenn Justin auf die Publikumswünsche reagiert. Etwa, wenn er näher an Personen heran geht, damit ein Online-Seher irgendwo auf der Welt besser verstehen kann, worüber gerade gesprochen wird. Nur dem häufig geäußerten Wunsch, doch einmal einen Strip-Club aufzusuchen, ist er bislang nicht nachgekommen.

Privatsphäre ist altmodisch

Als ob das nicht genug Ego-Marketing wäre, führt Justin außerdem einen Blog und bietet auf seiner Homepage die Highlights des Tages in Form von Videoclips an. Live-Erinnerungen sozusagen. Nur an der Dramaturgie muss der junge IT-Unternehmer, der seine letzte Firma für rund 250.000 Dollar auf eBay versteigert hat, noch arbeiten - obwohl er sich alle Mühe gibt, seinen Terminkalender mit interessanten Events zu füllen, ist sein Leben bislang kaum spektakulärer als das der meisten Menschen.

Nur einmal hat sich bislang Hollywood-reife Action ereignet: Jemand hatte Justin einen bösen Streich gespielt und eine Messerstecherei in seiner Wohnung gemeldet. Wenig später stürmte die Polizei das Appartement. Über den Live-Stream konnte der Einsatz mitverfolgt werden - natürlich live und aus Justins Perspektive. Auch von demjenigen, der die Polizei gerufen hatte.

Für weitere Highlights will Justin aber lieber selbst sorgen: „Ich möchte ausgehen und Frauen kennen lernen. Solche natürlich, die sich filmen lassen möchten." Dass die Kamera aber in jeden Fall eingeschaltet bleibt, will er nicht garantieren.

Bedenken, sein Leben so öffentlich zu führen, hat Justin nicht: „Nur ältere Menschen machen sich über ihre Privatsphäre Sorgen. Mir ist es egal, wenn mich die Menschen im Badezimmer sehen", sagte er in einem Interview mit dem Magazin Wired.

Real Life sells

Reiner Narzissmus ist das Projekt aber auch nicht: Zwei Sponsoren unterstützen Justin TV derzeit. Weitere Firmen haben bereits Interesse an dem Projekt bekundet. Als Gegenleistung wollen sie ihre Produkte im Leben und Blickfeld von Justin Kan platziert wissen.

Justin selbst sieht die technischen Möglichkeiten, die er am eigenen Leib demonstriert, als weiteren Meilenstein zum demokratischen Web. YouTube ermöglichte es erstmals abseits von Medienkonzernen Video-Clips einem Millionenpublikum vorzuführen. Mobiles Web-Fernsehen in Echtzeit soll nun abseits von Fernsehsendern jedermann in die Position einen Live-Reporters versetzten. Auch wenn er über nichts anderes zu berichten hat, als sich selbst.

Justin TV

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.