Preisverleihung: Die größten Brüder 2007

DiePresse.com (Felbermayer)
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Die „Big Brother Awards“ wollen aufzeigen, wo der Datenschutz ausgehebelt wird.

Computer wissen immer mehr – für viele oft schon zu viel. Die Veranstalter der „Big Brother Awards“ weisen alljährlich auf Auswüchse der Informationsgesellschaft hin. Neben den üblichen Verdächtigen werden durch den Award oft Projekte ins Rampenlicht gestellt, über die wenig bis kaum berichtet wird.

Wer sitzt im Taxi?

So zum Beispiel die Videoüberwachung in Taxis, für die Heinrich Frey, Chef der Taxiinnung, in der Kategorie Business und Finanzen ausgezeichnet wurde. Die geplante Videoüberwachung der Fahrgäste – für die Taxiinnung ein Mittel, um die Fahrer zu schützen – stellt laut Jury das letzte Glied einer Kette von Überwachungsmaßnahmen im Taxi dar, die mit der Einführung des Datenfunks und der GPS-Überwachung der Fahrzeuge begann und in der physischen Kontrolle der Fahrzeugbelegung durch Infrarotsitzkontaktsysteme und Videokameras gipfelte.

Mit der Auszeichnung von Peter van der Arend in der Kategorie Behörden und Verwaltung hat sich die Jury heuer eines sperrigen Themas angenommen: Im European Telecom Standards Institute, dem van der Arend angehört, werden nicht nur die europaweit geltenden Standards für digitale Telefonie (GSM, UMTS etc.) erarbeitet, sondern auch die Schnittstellen zu deren Überwachung. Die geplanten Standards ermöglichen die Durchforstung aller Kommunikationsdaten nach beliebigen Kriterien und sind allgemein verbindlich, selbst in Ländern, in denen die mit ihnen mögliche Überwachung rechtlich ohnehin nicht erlaubt wäre. Was nicht ist, kann ja noch werden...

Auch heimischen Politikern wird immer wieder ein Award zuteil. Der Preis für Unterrichtsministerin Claudia Schmied wurde aufgrund der letzten Änderungsvorschläge am Bildungsdokumentationsgesetz nicht verliehen, aber in Evidenz gehalten. Kritisiert wird die quasi lebenslange Speicherung fast aller Schuldaten und besonders deren Verknüpfung mit der Sozialversicherungsnummer.

Wer selbst gegen Überwachung Stimmung macht, bekämpft auch ihre medialen Vorkämpfer. So kam C.S.I.-Author Anthony E. Zuiker zu einem Big Brother Award – für die kontinuierliche Verharmlosung von Datenschutzverletzungen in seiner Serie. Und Zeitungsherausgeber Hans Dichand ist den Datenschützern eine Art Lifetime Achievement Award – uncharmanter „lebenslanges Ärgernis“ genannt – wert. Den Publikumspreis erhielt Innenminister Günther Platter für die Idee der „Bundes-Trojaner“, die PC verdächtiger Personen ohne deren Wissen durchforsten sollen. Heuer erstmalig verliehen wurde der Positivpreis „Defensor Libertatis“, und zwar an den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes Karl Korinek, der im Rahmen eines Ö1-Interviews vor einem Abrutschen in einen Überwachungsstaat warnte.

BIG BROTHER AWARDS

Die Big Brother Awards werden an Personen, Institutionen und Firmen vergeben, die sich hinsichtlich Überwachung und Kontrolle besonders „verdient“ gemacht haben. Ausgewählt werden die Preisträger von einer Jury aus Journalisten, Anwälten und Vertretern der Freien Software Gemeinschaft.

www.bigbrotherawards.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2007)

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