Neuer Planet: Kaum Chance auf Leben

Grazer Forscher: „Erdähnlicher“ Himmelskörper ist unwirtlich.

Der erdähnliche Exoplanet im Orbit des Zwergsterns Gliese 581, dessen Bekanntwerden die journalistischen Fantasien auf Leben im All – oder gar eine neue Erde, auf die wir bei Bedarf auswandern können – hat hoch fliegen lassen, sieht in den Augen von Astrophysikern weniger wirtlich aus: „Höheres Leben hätte sich auf einem solchen Planeten nicht entwickeln können“, berichtet Helmut Lammer, Institut für Weltraumforschung, Graz, der „Presse“. „Keine Chance“, ergänzt sein Kollege Maxim Khodachenko.

Die beiden wissen, wovon sie reden, sie haben vor eineinhalb Jahren in einem internationalen Team begonnen, die „Bewohnbarkeit von Planeten von M-Sternen“ zu erkunden, sie hatten die Arbeit kaum publiziert (Astrobiology, 7), da wurde der neue Planet bekannt. Er kreist um einen Stern des Typs „M“, die sind kleiner und strahlen schwächer als Sterne wie unsere Sonne (Typ „G“). Deshalb liegt auch ihre „bewohnbare Zone“ – das ist die Distanz, in der es um einen Stern herum gerade die rechte Temperatur für flüssiges Wasser gibt – anders, näher: Die Erde ist von der Sonne eine Astronomische Einheit (AU) entfernt, der neue Planet – fünf Mal so groß wie die Erde – hat nur 0,1 AU Abstand.

Raues Weltall-Wetter

„Darin liegt das Problem“, erklärt Lammer: Sterne strahlen nicht nur mildes Licht in ihre Umgebung – das für habitable Temperaturen sorgt –, sondern auch Plasma und kurzwellige Strahlung. Ersteres ist bei uns als „Sonnenwind“ oder auch „Space Weather“ bekannt: Wenn die Sonne in Eruptionen Material ins All schleudert, dann bringt das hoch oben in der Atmosphäre Satelliten durcheinander, auf der Erdoberfläche tut es fast nichts, weil die weithin durch unser Magnetfeld geschützt ist (deshalb ist der Sonnenwind nur an den Polen gefährlich, wo kein Magnetfeld ist).

Das bringt den neuen Planeten bzw. mögliches Leben auf ihm in ein doppeltes Problem: Zum einen ist er näher bei seinem Stern, deshalb ist auch sein „Space Weather“ rauer (sehr viel: der Sonnenwind bringt uns zehn Protonen pro Kubikzentimeter, dem Neuen das Tausend- bis Zehntausendfache) – zum anderen hat der Neue allenfalls ein sehr schwaches Magnetfeld. Wegen der Nähe zu seinem Stern rotiert er nicht bzw. höchstens sehr langsam, er hat deshalb keinen Dynamo-Effekt, der ein Magnetfeld speisen könnte. Zudem zeigt er seinem Stern immer die gleiche Seite – wie der Mond der Erde –, er hätte also ein eigenartiges und vorne und hinten völlig verschiedenes Klima.

Aber die Sonne schickt nicht nur Teilchen, sie schickt auch Strahlung: Die kann periodisch und regional die obere Erdatmosphäre so heizen/dehnen, dass Satellitenbahnen korrigiert werden müssen; aber bei einem M-Stern ist alles viel schlimmer: Er strahlt im Laufe seines Lebens sehr viel länger extrem kurzwellig, die Atmosphäre des neuen Planeten muss deshalb viel länger geheizt/gedehnt worden sein, vermutlich ist viel davon ins All entwichen. „Mikroben könnten sich entwickelt haben, höheres Leben nicht“, schließt Lammer: „Trotzdem ist es natürlich eine fantastische Entdeckung, sie erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es Tausende oder Millionen anderer Planeten gibt, die um Sterne wie unsere Sonne kreisen.“ jl

Inline Flex[Faktbox] HIMMELSWELT: Bewohner("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2007)

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