Medizin: Neue Rückschläge für Gentherapie

Aktueller Todesfall und genereller Krebsverdacht lähmen das Feld.

„Der Patient erhielt eine Dosis und hatte keine Probleme und kam ein paar Monate später zur nächsten Dosis. In Koinzidenz mit ihr zeigte er ernsthafte Nebenwirkungen.“ Mit diesen Worten meldete am Donnerstag die US-Firma Targeted Genetics der zuständigen Behörde – Food and Drug Administration, FDA –, dass es Probleme beim klinischen Test einer Gentherapie gab, die FDA ließ den Test abbrechen, dem Patienten konnte nicht mehr geholfen werden, er starb.

Das ist der zweite große Rückschlag für eine Therapie, die Ende der 80er-Jahre mit großen Versprechen angetreten war: Man könne Krankheiten, die durch defekte Gene verursacht sind, dadurch heilen, dass man die defekten Gene durch gesunde ersetzt. Das klang plausibel, aber es funktioniert nicht, weltweit wurde es tausendfach versucht, ohne Erfolg. Dann kam der erste große Misserfolg: 1999 starb ein junger Mann bei einer Gentherapie. Die meisten Versuche wurden gestoppt, die meisten Forscher gingen zurück zu Tierexperimenten. Als man sich langsam wieder Menschen zuwandte, gelang ein Erfolg, Kinder mit einer schweren Immunstörung wurden in Paris therapiert, der Preis war hoch, manche Kinder bekamen Blutkrebs.

Tumore durch Gen-Fähren

Und nun hat man wieder einen Toten, noch weiß niemand, ob es eine „Koinzidenz“ ist oder eine Kausalität: Der Patient war einer von 127, der gentherapeutisch von entzündlicher Arthritis geheilt werden sollte: Dazu spritzte man – direkt in die Gelenke – Gene mit entzündungshemmender Wirkung. Aber Gene alleine kann man nicht in ihre Zielzellen bringen, sie brauchen Transportvehikel („Vektoren“, „Gen-Fähren“), dazu verwendete man entschärfte Viren, „adeno-assoziierte“, AAV. Die nimmt man in vielen Versuchen, man hatte sie auch bei den Kindern in Paris genommen. Aber seit die Kinder Krebs bekamen, stehen die Viren im Verdacht: Möglicherweise nisten sie sich – und die Gene – im Genom der Zellen an Stellen ein, die besonders empfindlich reagieren.

Dieser Verdacht hat sich nun bestätigt – eine Gruppe um David Russell (University of Washington, Seattle) hat es an Mäusen gezeigt, die bekamen Leberkrebs (Science, 317, S.477). Das ist der zweite und vermutlich härtere Schlag für das Feld. Man wird wieder in die Grundlagenforschung zurück- und harmlosere Vektoren finden müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2007)

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