Arme Reiche: Was tut der Gentleman Ratiu mit ARO?

Der englisch-rumänische Politikersohn Ratiu kaufte die Überreste der Geländewagenfabrik ARO.

WIEN (p.m.). Der Mensch enthüllt seine wahre Identität als Sportfan, heißt es: Bei einem Tor könne man sich nicht verstellen. Wenn dem so ist, dann hat Nicolae Christopher Ratiu das perfekte „doppelte Gesicht“: Als bei der Europameisterschaft 2000 in Belgien England gegen Rumänien spielte, hielt er die Daumen für England – aber gewettet hatte er auf Rumänien. Das auch gewann.

Ratiu, auf den ersten Blick ein typischer englischer Gentleman, ist der Sohn des 2000 verstorbenen rumänischen Bauernpolitikers Ion Ratiu. Dieser war 1940, als in Rumänien die faschistischen Eisernen Garden wüteten, emigriert und hatte die Tochter einer alten englischen Familie geheiratet. Der Sohn wurde 1948 in Davos geboren und auf die Namen Nicolae (rumänisch) und Christopher (britisch) getauft. „In meiner englischen Schule war ich wohl ein Ausländer“, erzählt er. „In Rumänien bin ich ein Engländer, wenn auch mit einem berühmten rumänischen Namen.“

Zeitung statt Politik

1990 kehrte der Vater heim, half die „Nationale Bauernpartei“ wieder aufbauen, kandidierte erfolglos gegen den Exkommunisten Iliescu um die Präsidentschaft und wurde Abgeordneter. Nicolae schwebte zwischen zwei Welten: Er war Reeder und Ölhändler in England, arbeitete aber schon bei der Familienstiftung in Rumänien mit, die Studenten mit England-Stipendien versorgt und kulturelle Aktivitäten setzt. Und er kümmerte sich um die vom Vater gegründete Tageszeitung „Cotidianul“. Die ersetze bei ihm die politischen Ambitionen: „Es ist eine Plattform der objektiven Kritik an den Vorgängen im Land“, sagt Ratiu jun.

Heute ist der englisch-rumänische Geschäftsmann in Immobilien tätig, führt „Regent House Properties“ in London. Und hat als solcher soeben ein spätes Relikt der KP-Ära gekauft: ARO, den Hersteller der sagenumwobenen Geländewagen aus der Karpatenstadt Câmpulung. „Automobil Romanesc“ (dafür steht die Abkürzung) ist nach der Privatisierung Ende 2003 in den Konkurs geschlittert, der US-Käufer Cross Lander verschleuderte laut dem Untersuchungsbericht des Bukarester Senats zahlreiche Werte.

So viele können es nicht gewesen sein, denn Ratiu bekam immerhin das 46 Hektar große Gelände samt Gebäuden, Ausrüstung und Produktionslizenzen um den äußerst günstigen Preis von 16,5 Mio. Euro. Ratius Geschäftspartner Calin Husar hat angekündigt, „Projekte zur Revitalisierung genau zu prüfen“. Nur eines wird dort nicht passieren: „Um völlig ehrlich zu sein: Ich denke nicht, dass ARO-Fahrzeuge jemals wieder in Câmpulung produziert werden.“ Zum Geldverschwenden ist Ratiu nicht rumänisch-patriotisch genug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2007)

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