„Parlament spielt mit 30.000 Jobs“

Rumänien. Abgeordnete vereiteln ein Gesetz und stellen damit den Bau einer Handy-Fabrik von Nokia und andere Investitionen in Frage.

WIEN/BUKAREST (p. m.). „Parlament spielt mit 500 Mio. Euro und 30.000 Jobs“ betitelte die rumänische Online-Nachrichtenagentur HotNews.ro eine Meldung, nach der Verzögerungen den Bau eines neuen Handy-Werks von Weltmarktführer Nokia in Rumänien verhindern könnten. Viorel Gavrea, Manager jenes Industrieparks, in dem die Fabrik gebaut werden soll, fürchtet jetzt, dass mit Nokia auch andere Investoren fernbleiben könnten: „Die Situation wird ernsthafte negative Effekte auf Rumänien als Geschäftspartner großer Unternehmen haben.“

Nokia will sich im Industriepark Tetarom III im Dorf Jucu bei Cluj-Napoca (Klausenburg) ansiedeln. Vorgesehen ist neben einer Handy-Fabrik auch eine Forschungseinrichtung. Der Vertrag über eine Investition von 60 Mio. Euro und die Schaffung von 15.000 Arbeitsplätzen ist unterschriftsreif. Gavrea hat nach eigenen Angaben die Zusagen von sechs anderen Investoren, die noch einmal so viele Jobs zu vergeben hätten. Wenn mit Nokia als Zugpferd alle drei Tetarom-Industrieparks voll würden, käme eine halbe Milliarde Euro ins Land, schätzt Gavrea.

Land ist der Uni versprochen

Das Problem: Valeriu Tabara, Abgeordneter der Demokratischen Partei, verhinderte die Verabschiedung eines Gesetzes, mit dem das Land aus Staats- in Gemeindebesitz übergeben werden sollte. Das wäre die Voraussetzung für die Ansiedlung der ausländischen Unternehmen. Tabara hatte noch als Landwirtschaftsminister 800 Hektar jenes Landes, das für die drei Industrieparks benötigt würde, der Universität Cluj-Napoca versprochen, deren Agrarfakultät auf der grünen Wiese ein Ausbildungs- und Forschungszentrum errichten will. Emil Boc, Chef der Demokraten, beeilte sich zu versichern, dass Tabara nicht für die Partei spreche. Aber die Intervention reichte aus, um das Gesetz zu vereiteln. Daraufhin verschob Nokia die für Mittwoch vorgesehen gewesene Vertragsunterzeichnung.

Gavrea fürchtet jetzt, dass das Interesse für die Gegend im allgemeinen und die drei Industrieparks im speziellen schwinden könnte. „Ich habe versucht, sie zu beruhigen“, berichtete er von einem Telefonat mit dem zuständigen Nokia-Manager. Er habe versichert, dass es nur um eine Verzögerung gehe. „Eine Verzögerung sehen sie nicht als Problem, sehr wohl aber das negative Signal, das von ihr ausgehe. Sie müssten sich die gesamte Investition noch einmal überlegen.“

Rückfall der Investitionen

Die Affäre wird ausgerechnet zu einem Zeitpunkt virulent, da die Rumänen über einen starken Rückfall der Investitionen klagen. In den ersten drei Monaten des Jahres ist die Gesamtsumme gegenüber der Vergleichszeit 2006 um genau ein Drittel gesunken, sagte vor kurzem Florin Vasilescu, Direktor der für ausländische Direktinvestitionen zuständigen staatlichen Agentur ARIS. Der Rückgang hat allerdings einen „österreichischen“ Grund: 2006 hatte es mit rund 9 Mrd. Euro einen Rekord gegeben, der großteils der Übernahme der Rumänischen Handelsbank BCR durch die Erste Bank zu verdanken war. Österreich liegt mit diesen 2,18 Mrd. Euro auf Platz zwei der ewigen Bestenliste hinter den Niederlanden (3,2 Mrd. Euro). Insgesamt wurden bisher 16 Mrd. Euro in Rumänien investiert.

Für heuer erwartet Vasilescu 6,5 bis 7 Mrd. Euro. Ein beträchtlicher Teil soll auf der grünen Wiese realisiert werden – wenn die Nokia-Affäre keinen Strich durch die Rechnung macht.

Dabei hätte Rumänien außerordentlich gute Karten. Mittelfristig gehört das Land gemeinsam mit der Slowakei und Ungarn zur Spitzengruppe Mitteleuropas, wie das in allen Ländern tätige ungarische Marktforschungsunternehmen GKI ermittelt hat. Der Index misst, wie stark sich die Wettbewerbsfähigkeit seit 2000 verbessert hat. Rumänien ist überlegen die Nummer eins mit 150 Punkten, also einer Zunahme um die Hälfte. Die Slowakei bekam 130, Ungarn 127 Punkte. Schlusslicht ist Österreich mit einem Index 112.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2007)

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