Goldener Boden Sotschi

(c) EPA (Sergei Ilnitsky)
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Olympische Geschäfte. Investoren rechnen mit satter Olympia-Rendite, vor allem am Immobilienmarkt. Dafür werden Einheimische von ihren Grundstücken vertrieben.

Moskau. Gleich nach der Entscheidung, die Olympischen Winterspiele 2014 an den russischen Schwarzmeerkurort Sotschi zu vergeben, hat das Rennen um die mindestens 12,2 Mrd. Dollar (neun Mrd. Euro) begonnen, die Staat und Privatwirtschaft in den Traum von Olympia investieren wollen. Am wildesten geht es derzeit auf dem Immobilienmarkt zu. „Let the Gains begin“ (etwa: Lasst die Gewinne sprudeln“), schrieb die Moskauer Alfa Bank die offizielle Phrase zur Olympia-Eröffnung „Let the Games begin“ um.

Sotschi fast so teuer wie Moskau

„Tausche Zwei-Zimmer-Wohnung in Sotschi gegen Drei-Zimmer-Wohnung in Moskau plus Zuzahlung Ihrerseits. So könnten bald Immobilienanzeigen in überregionalen russischen Zeitungen aussehen“, prophezeit die Website www.rbc.ru. Kostete im vergangenen Jahr ein Quadratmeter Wohnfläche in Sotschi noch 1800 Dollar (1311 Euro), ist er inzwischen für 4000 Dollar zu haben. Zum Vergleich: In Moskau, der bislang mit Abstand teuersten Stadt Russlands, kostet im Durchschnitt ein Quadratmeter Wohnfläche 4070 Dollar.

Immobilienentwickler aus Moskau, St. Petersburg und den erdölreichen Regionen haben vor der Entscheidung in großem Stil Grundstücke erworben. „Das war eine Lotterie, bei der sie das Glückslos gezogen haben“, schreibt die Zeitung RBK Daily.

Ein freier Markt ist das Geschäft mit den Grundstücken indes in Sotschi nie gewesen. Wer keine Beziehungen zu städtischen oder regionalen Beamten hat, geht leer aus.

In der Kaukasus-Stadt haben viele Einwohner Angst um ihre Bleibe. So schrieb die Zeitung „Kommersant“, Tausende Einheimische würden von ihren Grundstücken vertrieben, um Investoren Platz zu machen.

Gegen Zwangsumsiedlung hat sich eine Bürgerinitiative namens „Institut kollektiven Handelns“ gebildet. „Einfachen Sterblichen werden bescheidene städtische Wohnungen im Tausch gegen ihren Grund und Boden geboten. Wenn sie Glück haben, bekommen sie eine symbolische Ausgleichszahlung“, sagt Olga Mirjasowa, Sprecherin der Bürgerinitiative.

Ähnlich dubios verlaufen die Bauarbeiten im Nationalpark, wo die Skiwettbewerbe im Jahr 2014 stattfinden sollen. Postfaktum werden Ausnahmegenehmigungen in Gegenden erteilt, in denen nichts gebaut werden darf. Der russische Rechnungshof stellte 2006 bei einer Untersuchung fest, dass von 18 bereits begonnenen Bauprojekten im Nationalpark lediglich fünf über die gesetzlich vorgeschriebene ökologische Expertise verfügten. Der Nationalpark steht seit 1999 unter dem Schutz der Unesco.

Mieten um 30 Prozent gestiegen

„Alleine heute haben mich 15 ausländische Investoren angerufen, die Hotels in Sotschi kaufen wollen“, sagt Stanislaw Gripas von der Immobilienfirma Vesco Realty Sochi. „Im Laufe eines Jahres haben sie gewartet, nun stürmen sie los wie von der Kette gelassen.“ Makler wunderten sich, dass am Morgen nach der Entscheidung Vermieter die Preise für ihre Wohnungen in Sotschi im Durchschnitt um 30 Prozent anhoben.

Die Stadt scheint auf Gold gebaut zu sein. So sind die Preise für Grundstücke rund um die Imeretinskaja-Bucht, in der das Olympia-Stadion, das Olympische Dorf und alle Hallen errichtet werden sollen, auf bis zu 800 Dollar pro Quadratmeter gestiegen. Bislang war die Gegend wertloses Sumpfland.

„Die Stunde der Spekulanten“

Experten sehen vor allem Bedarf bei Hotelneubauten, Einkaufszentren sowie Wohnungen – so ist der Bau von einer Mio. Quadratmeter neuen Wohnraums geplant. „Jetzt ist die Stunde der Spekulanten. Dann fällt die Nachfrage, und Investoren werden mit größerer Ruhe agieren“, sagt Michail Getz von der Immobilienfirma Blackwood.

Er rechnet damit, dass die Grundstückspreise in Sotschi in diesem Jahr um 50 Prozent, die für Wohnungen um 20 bis 30 Prozent steigen. Danach dürften sich die Preissanstiege bei 20 Prozent im Jahr einpendeln.

Investoren agieren in der Hoffnung, dass Sotschi durch die Milliardeninvestitionen zu einem erstklassigen Ganzjahres-Kurort wird. Der Olympia-Effekt soll helfen, die Zahl der Touristen auf über sieben Millionen jährlich zu verdoppeln. Russlands Riviera soll zu einem Markennamen mit Klang in aller Welt werden.

Österreichs größter Baukonzern Strabag unter Hans Peter Haselsteiner rechnet fest mit rund einer Mrd. Euro an Aufträgen zum Bau der Sportanlagen für Olympia. Am Montag besprach er mit dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska – Dritteleigentümer der Strabag – mögliche Sotschi-Projekte. Deripaska ist einer der privaten Investoren für die Winterspiele in Sotschi (siehe Grafik).

Die potenziellen Gewinnaussichten muten fantastisch an. Dimitri Schmeljow von der Entwicklungsgesellschaft ST Region Group schätzt die durchschnittliche Rendite für Immobilienprojekte in Sotschi bei 100 Prozent, während sie in Moskau 20 bis 25 Prozent betrage.

Künstliche Inseln im Meer

Die Grundstückspreise sowie der bevorstehende Verteuerung von Baumaterialien könnten indes den Gewinnträumen ein jähes Ende bereiten. Die Stadt Sotschi will, um der Knappheit zu begegnen, kurzerhand Neuland schaffen. Künstliche Inseln im Meer sollen aufgeschüttet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2007)

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