ENERGIE: Rumänien fährt neuen Atomreaktor hoch

Die Regierung setzt weiter auf die Kernenergie und will nun die gesamte Stromwirtschaft privatisieren.

BUKAREST/SALZBURG (ag./ku). Ende September wird der neue Atomreaktor im rumänischen AKW Cernavoda seine volle Leistung von 700 Megawatt (MW) erreichen. Das kündigte Rumäniens Finanzminister Varujan Vosganian am Donnerstag an. Dann werden 18 Prozent des rumänischen Stromverbrauchs Atomstrom sein.

Damit aber nicht genug: Erst in der Vorwoche bekräftigte Vosganian bei einer Konferenz des Instituts der Regionen Europas (IRE) in Salzburg, dass auch die Reaktoren drei und vier gebaut werden. Als nächster Schritt soll gemeinsam mit privaten Investoren eine Projektbetreiber-Firma gegründet werden, die den Ausbau abwickelt. Interesse haben unter anderem bereits die deutschen Stromkonzerne E.On und RWE angemeldet.

Das AKW Cernavoda war in den 1980er Jahren noch unter dem kommunistischen Diktator Nicolae Ceausescu geplant worden – und zwar in Kooperation mit kanadischen Lieferanten. Genutzt wird dabei die „Candu“-Technologie. Das ist ein 700-MW-Schwerwasser-Reaktor, bei dem das natürliche Uran nicht angereichert werden muss. Rumänien verfügt über eigene Uran-Vorkommen. Nach dem Systemwechsel 1990 wurden die Bauarbeiten kurzzeitig eingestellt, der erste Reaktor wurde dann im Jahr 1996 fertig gestellt. Im zweiten Reaktor startete die Kernspaltung heuer am 6. Mai. Auch die Blöcke drei und vier sollen als Candu-Reaktoren mit jeweils 600 Megawatt Leistung gebaut werden, so Vosganian. Der ursprünglich vorgesehen fünfte Reaktorblock wird nicht errichtet.

Nach langem Überlegen hat sich Rumänien nun dazu durchgerungen, die Stromwirtschaft zu privatisieren. Am Donnerstag kündigte Vosganian an, dass binnen 30 Tagen die Atom-, Wasser- und Wärme-Kraftwerksbetreiber unter einer Holding zusammengefasst werden. Ende 2008 soll ein Minderheitsanteil über die Börse privatisiert werden, zwei bis drei Jahre später könnte sich der Staat auf eine Sperrminorität zurückziehen.

Die rumänische Energiewirtschaft bedarf gigantischer Investitionen: Für die Wasserkraft würden 4,7 Mrd. Euro, für die kalorischen Kraftwerke 5,8 Mrd. Euro benötigt, sagte der Minister bei seinem Salzburg-Besuch. Allein die von der EU vorgeschriebene Rauchgasreinigung verschlinge 2,6 Mrd. Euro, so Vosganian. 80 Prozent der rumänischen Kraftwerke sind älter als 25 Jahre.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2007)

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