Budget: Polen: „Vor-Wahl-Wahnsinn“

Hohe Steuereinnahmen ermöglichen Wahlzuckerl.

WARSCHAU/WIEN(ag./ku). Polens Budgetpolitik mutet derzeit absurd an: Die Bilanz des Staatshaushalts entwickelt sich unerwartet positiv – die Politik verkauft das aber praktisch nicht als Erfolg. Als Grund nennen Analysten, dass sich die Parteien nach dem Scheitern der Regierungskoalition mitten im Wahlkampf befinden. Am 21. Oktober wird ein neues polnisches Parlament gewählt.

„Das Finanzministerium weiß, dass das Defizit niedriger sein könnte, aber weiß auch, dass die Politik großen Appetit auf höhere Ausgaben hat“, sagte etwa Rafael Benecki, Chefökonom der ING in Warschau. Dank des hohen Wirtschaftswachstums (6,7 Prozent) und der abrupt sinkenden Arbeitslosigkeit (unter 12 Prozent) könnte das Budgetdefizit laut Experten statt 30 Mrd. Zloty (7,3 Mrd. Euro) nur zwischen 13 und 23 Mrd. Zloty ausmachen. Offiziell spricht das aber kein hochrangiger Politiker aus – alle Beteiligten wollen sich offenbar Spielraum für Wahlzuckerl offen halten. Wie hoch das Budget wirklich ist, scheint dabei niemanden zu interessieren.

Mit einer Ausnahme: Finanzministerin Zyta Gilowska sprach kürzlich davon, dass Polen in eine Phase des „Vorwahl-Wahnsinns“ eingetreten sei. Sie bezog sich dabei vor allem auf den Beschluss eines Pakets zur Steuerentlastung von Familien, das auch von der Opposition mitgetragen wird. Dieses Paket reißt in das Budget 2008 ein Loch von sechs Mrd. Zloty. Trockener Kommentar des Chefökonomen der Bank BHP in Warschau: „Es scheint, dass sich in Polen niemand um die Euro-Einführung Gedanken macht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2007)

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