Polen: Zehn Jahre Bauzeit für 500 Meter Autobahn

(c) AP (Michael Probst)
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Polen hat zwar ehrgeizige Straßen-Projekte, doch beim Bau wird gebremst.

Warschau. Endlich konnte Donald Tusk einmal richtig witzig sein. „Ich zitiere aus einer Mitteilung, dass das erste Teilstück der Autobahn A1 eröffnet worden ist“, rieb der stets etwas unbeholfen wirkende Oppositionschef der Regierung unter die Nase. Die Länge der Straße: 500 Meter. Bauzeit: Zehn Jahre. „Wenn in diesem Tempo weiter gebaut wird, ist die Autobahn in 2280 Jahren fertig“, rechnete er vor. „Wir sollten der Uefa vorschlagen, die Fußball-Europameisterschaft 2012 auf das Jahr 4287 zu verschieben.“ Eins zu Null für Tusk.

20 Mrd. Euro für neue Straßen

Immer wieder zieht die Opposition in diesen Tagen das Thema Straßenbau hervor, schließlich ist Wahlkampf, und in fünf Jahren wird in Polen und der Ukraine die Euro 2012 ausgetragen. Bis dahin sollte ein dichtes Netz von Straßen das Land überziehen, das internationalen Maßstäben genügt. Voller Stolz hatte das Transportministerium ein gigantisches Bauprojekt vorgestellt: Für rund 20 Mrd. Euro sollen in den kommenden fünf Jahren 1000 Kilometer neue Autobahnen entstehen, dazu noch einmal fast 3000 Kilometer Schnellstraßen. Doch wie sich schnell zeigte, klaffen Anspruch und Realität weit auseinander.

Dass ausgerechnet beim Bau der A1, der so genannten „Bernstein-Autobahn“, chaotische Zustände herrschen, halten viele Polen für eine nationale Blamage. Die Straße ist eine Art Prestigeobjekt und sollte Teil der Verbindung von Nord- nach Südeuropa sein: von Danzig, an Lodz und Kattowitz vorbei, in Richtung Slowakei. Mit dem Bau wurde 1978 begonnen, doch die Arbeiten bewegten im Schneckentempo.

22 Meter Autobahn pro Monat

Als vor zwei Jahren die Firma Gdansk Transport Company (GTC) die Arbeiten übernahm, schien Besserung in Sicht. Die Baugeschwindigkeit erhöhte sich rapide auf 22 Meter im Monat. Das sei sehr schnell für eine Autobahn, erklärt Ewa Lydkowska, Sprecherin von GTC. Und dann verspricht sie, dass es bald noch schneller laufe: ein Kilometer in 15 Tagen. Doch haben die Kritiker nachgerechnet, dass dies lediglich 24 Kilometer Straße pro Jahr seien. Um mit dem A1-Bau zur Euro 2012 fertig zu werden, müssten jeden Tag 1,5 Kilometer Autobahn gebaut werden.

Doch Aleksander Kozlowski, einer der Leiter des Danziger Unternehmens, sieht die Schuld nicht bei den Baufirmen. Zu oft sei der Transportminister und die Rechtsgrundlage geändert worden. Das sei, so Kozlowski, auf gewisse Weise „höhere Gewalt“.

Aber auch die polnischen Baubehörden wollen sich nicht den schwarzen Peter zuschieben lassen. Sie klagen ihrerseits über die mangelnde Ausstattung von Straßenbauunternehmen mit Personal und Maschinen. Noch immer wandern viele Männer ins Ausland ab, wo sie für die gleiche Arbeit ein Vielfaches ausbezahlt bekommen. Diesen Trend stoppen Lohnerhöhungen derzeit noch nicht: Viele der Arbeiter verdienen inzwischen fast 50 Prozent mehr als noch vor einem Jahr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2007)

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