Kosovo: Vom Kriegsgebiet zum Skigebiet

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Im kommenden Frühjahr soll das Skiressort Brezovica an der Grenze zu Mazedonien privatisiert werden. Pristina hat dabei nicht zuletzt Investoren aus Österreich im Visier.

Wien/Pristina. Skiurlaub – das ist nicht unbedingt das erste Wort, das einem in Zusammenhang mit dem Kosovo in den Sinn kommt. Zu frisch sind die Bilder von Krieg und Vertreibung, zu präsent die Schlagzeilen über die nach wie vor bestehenden Spannungen. Doch während diese Woche die politische Crème aus Belgrad und Pristina erneut erfolglos über den Status der UN-verwalteten Provinz im Süden Serbiens verhandelte, lagen beim Vienna Economic Forum Prospekte mit etwas grobkörnigen Bildern und einem eindrucksvollen Slogan auf: „Die letzte große Gelegenheit am Balkan.“

Brezovica, ein in der Endphase des alten Jugoslawien am Südrand des Kosovo errichtetes Skigebiet, steht zur Privatisierung an. Und in Pristina spekuliert man ganz offenkundig auf Investoren aus Österreich. Auffällig rühmte Kirk Adams, Privatisierungs-Chef der Kosovo-Treuhand-Agentur KTA, bei einer Präsentation für potenzielle Käufer die Doppelmayr-Lifte im neuen bulgarischen Skigebiet Bansko.

680 Betten in drei Hotels, neun Skilifte – da ist noch viel Platz für Neues, neben der notwendigen Rundumerneuerung der veralteten Anlagen: UN-Experten schätzten schon Anfang 2006 die für Sanierungen nötige Geldspritze auf 20 Mio. Euro. Beim Präsentations-Video zeigte die Kamera denn auch keine Nahaufnahmen der Hotels oder Liftanlagen.

Heikle Privatisierung

Dass die Kosovaren bei rund 60 Prozent Arbeitslosigkeit wenig Sinn und Geld für Skiurlaub haben, lässt Ahmet Shala, Vizechef der Privatisierungsagentur, nicht gelten: In der letzten Saison hätte es zu Spitzenzeiten 2000 Gäste täglich gegeben. Er selbst will noch Mitte Mai die zwischen 1700 und 2500 Höhenmeter gelegenen Pisten „auf Naturschnee“ unsicher gemacht haben.

Privatisierung im Kosovo ist heikel, denn Serbien macht für die einstigen Unternehmen im öffentlichen oder gesellschaftlichen Eigentum seinerseits Ansprüche geltend. Daher geht der Privatisierungserlös auch auf ein Treuhandkonto. Für ungelöste Eigentumsfragen und alte Schulden stehen 80 Prozent zur Verfügung, die restlichen 20 gehen an die Angestellten.

Brezovica ist noch aus einem zweiten Grund heikel: Es handelt sich um eine serbische Enklave, und das Skigebiet ist einer der wenigen wirtschaftlichen Hoffnungsschimmer für die rund 9100 Serben der Gemeinde Strpce.

Die KTA hat sie dem potenziellen Käufer auch eine Bedingung gestellt: „Er muss für fünf Jahre rund 250 Serben beschäftigten. Genau so viele sind es derzeit“, erklärt Shala. Und bei einem Ausbau des Skigebiets müsse sich das ethnische Verhältnis bei den Angestellten widerspiegeln. „Auch wenn sie offiziell eine andere Linie vertreten: Ich glaube, wir haben die stille Zustimmung der örtlichen Serben“, ist Shala zuversichtlich.

Träume von Olympia 2018

Der KTA-Vizechef hat es im Moment alles andere als leicht. Denn jene Investoren, die bereits den Sprung in den Kosovo wagten, werden wegen des noch immer ungelösten Status langsam unruhig: „Die sind natürlich etwas besorgt. Und sie sagen, sie würden viel mehr investieren, wenn es Klarheit über den Status gäbe“.

Doch die KTA strotzt vor Optimismus – und träumt von den Olympischen Winterspielen 2018.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2007)

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