Öl-Gewinne fließen an den Staat ab

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Wegen der vielen Abgaben profitieren Ölkonzerne kaum von hohen Ölpreisen.

Moskau. Russlands Ölkonzernen fehlt das Geld für Investitionen. Von den Rekordmarken für Ölpreise an den Weltmärkten profitieren sie kaum. Das Abgabensystem ist so ausgelegt, dass die Supergewinne in den staatlichen Stabilitätsfonds fließen. Doch nun formiert sich eine Front von Kritikern.

Lord George Robertson, Vize-Aufsichtsratschef des britisch-russischen Erdölkonzerns TNK-BP, plädiert dafür, das Steuersystem zu ändern. Sonst drohe ein Einbruch bei der Erdölproduktion. „Das Steuersystem wurde zu Zeiten konzipiert, als der Ölpreis bei 25 bis 27 Dollar lag. Wenn Russland seine Reserven erschließen will, muss es ein besseres Steuersystem kreieren und notwendige Investitionen ermöglichen“, sagte Robertson in einem Interview.

Sergei Bogdantschikow, Chef des größten russischen Erdölkonzerns Rosneft, bezeichnete das Steuersystem als „zu streng“. Lukoil-Vorstandschef Vagit Alekperow tritt für „Steuerferien“ bei der Erschließung neuer Ölfelder ein.

Bei einem Erdölpreis jenseits der 27 Dollar je Barrel (159 Liter) kassiert der Staat 80 Prozent der Exporteinnahmen. Die russische Regierung beschloss dieser Tage eine Erhöhung der Exportgebühren für Rohöl zum 1.Dezember auf 275,4 Dollar je Tonne. Zum 1.Oktober hatte die Exportabgabe noch bei 250,3 Dollar gelegen.

Die Ölunternehmen zahlen 24 Prozent Gewinnsteuer, Produktionssteuern, die auf dem Marktpreis für Öl basieren, und die Exportabgaben. Auch der starke Rubel macht zu schaffen: Die Firmen zahlen ihre Abgaben in Rubel und erhalten Dollar für ihr Öl.

Förderung wächst langsamer

Russland ist nach Saudiarabien zweitgrößter Erdölförderer und Erdölexporteur der Welt. 2006 produzierte das Land 480 Mio. Tonnen Erdöl. In den ersten neun Monaten 2007 wuchs die Förderung um 2,5 Prozent auf 367 Mio. Tonnen. Von 2000 bis 2004 betrug das jährliche Wachstum zwischen sechs und elf Prozent. Seit der Staat die Ölwirtschaft zunehmend kontrolliert, hat sich das Wachstum verlangsamt.

„Wir profitieren kaum von den hohen Ölpreisen. Ob sie nun 100 oder 50 Dollar sind, ist für uns egal“, sagt ein Rosneft-Manager. „Hohe Ölpreise haben einen marginalen positiven Effekt für uns. Der Stabilitätsfonds profitiert dafür umso mehr“, pflichtet ihm ein Lukoil-Sprecher bei. Der ist inzwischen mit 147 Mrd. Dollar (100 Mrd. Euro) prall gefüllt. Ein Teil soll auf den internationalen Aktienmärkten angelegt werden. Der Fonds speist sich aus Einnahmen, die aus Exportgebühren für Erdöl und Ölförderungssteuer anfallen, solange der Preis für die Erdölsorte Urals höher als 27 Dollar ist.

Geld verdienen Russlands Ölförderer mit der Weiterverarbeitung. Da die Exportgebühren für Ölprodukte niedriger sind als für Rohöl, rechnet es sich, eigene Raffinerien zu nutzen. Lukoil und Rosneft, die 40 Prozent ihres Öls weiterverarbeiten, sind Branchenführer.

Nicht alle unterstützen die Kritiker aus der Ölwirtschaft. „Diese Unternehmen haben genügend Kapital, um in neue Projekte zu investieren“, sagt ein Sprecher des Ministeriums für Naturressourcen. Im Vorjahr habe man Unternehmen, die Felder in Ostsibirien erschließen, Steuerferien gegeben, dasselbe erwäge man für die teuren Projekte im arktischen Schelf.

Investitionen nötig

Laut Lukoil muss Russland bis 2016 300 Mrd. Dollar investieren, um das gegenwärtige Produktionsniveau aufrechtzuerhalten. Die großen Ölfelder in Westsibirien, die noch zu Sowjetzeiten erschlossen wurden, sind sogenannte „Post-Peak“-Felder, also Förderstätten, bei denen die Produktionsmenge sinkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2007)

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