„Verhandeln auf gleicherAugenhöhe“

Was zeichnet „Global Talents“ aus? Experten der „Kommunikation unter erschwerten Bedingungen“ über das Ausfahren von Sensoren und den nötigen Respekt vor dem Anderssein.

Verhandlungsgeschick, Mobilität sowie Landes- und Sprachkenntnisse sind die wichtigsten Schlüsselqualifikationen, die Führungskräfte laut Hernstein Management Report zum Thema „Interkulturelle Kompetenzen“ von „globalen Talenten“ erwarten. Die größten Schwierigkeiten orten die befragten Unternehmen im Umgang mit ausländischen Behörden und rund um die Einhaltung von Vereinbarungen. „Interkulturalität wird immer bedeutender. 62 Prozent der befragten Manager erwarteten für die Zukunft noch mehr Geschäfte mit ausländischen Partnern“, so Katharina Fischer-Ledenice, Leiterin des Hernstein Management Instituts. Die Frage nach interkulturellen Kompetenzen stelle sich auch für Führungsteams, die bei internationalen Konzernen immer häufiger Mitglieder aus verschiedenen Kulturen vereinen. Die Unternehmenskultur sei dabei ebenso maßgeblich wie die Landeskultur. „Es ist nicht möglich, einen kulturellen Glassturz über ein Unternehmen zu stellen. Nach dem Motto: Was rundherum passiert, interessiert uns nicht“, sagt auch Gerhard Hirczi, Konzernpersonalleiter von Siemens. „Deshalb animieren wir unsere Expatriates, den Lebensmittelpunkt in das jeweilige Land zu verlegen. Es muss eine Balance zwischen Headquarter-Funktion und regionaler Eigenständigkeit gefunden werden.“

Mangelnde Mobilität

Katja Teuchmann, Beraterin bei Deloitte Wentner Havranek: „Der Bedarf an Expats ist höher als die Bereitschaft, ins Ausland zu gehen. Vor allem die kurzfristigen Engagements nehmen zu. Da wird es auch schwieriger, die Familie mitzunehmen.“ Das Thema Mobilität sollte daher schon beim Recruiting berücksichtigt werden. Für Boris Schneider, Honoralkonsul von Rumänien und Generaldirektor der größten rumänischen Versicherungsgesellschaft ASIROM, hängt die Immobilität der Österreicher mit der fehlenden „Rückfahrkarte“ zusammen. Schneider: „Die Unternehmen und Verdienstmöglichkeiten sind im Ausland oft größer als im Inland. Eine Rückkehr ins Heimatland verliert so leicht an Attraktivität.“ In Rumänien seien Expats mittlerweile oft günstiger als Manager vor Ort, die sich über Gehaltszuwächse um die 60 Prozent freuen dürften. Er selbst sei ein gutes Beispiel dafür – nach langjähriger Expat-Karriere sei er schließlich nicht in Österreich, sondern an der Spitze eines rumänischen Versicherers gelandet.

„Unterschiedliche Nationalitäten reagieren unterschiedlich auf Mobilität. Hier hinken wir Ländern wie England oder Holland noch nach“, meint Werner Moertel, CEE-Vorstand der Generali Holding Vienna AG. „Die Generali ist in über 50 Ländern tätig und keines gleicht dem anderen. Es kann nicht nur eine Wertewelt und eine Kultur geben. Wir haben uns durch die ursprüngliche Beschränkung auf deutschsprachige Führungskräfte selbst limitiert. Heute reichen Englischkenntnisse und Vorstände werden etwa von Tschechien in die Ukraine geschickt.“ Peter Höfinger, Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung der Wiener Städtischen und Vorstandsdirektor der Donau Versicherungs-AG bestätigt: „In Österreich herrscht vielfach ein gewisser Kolonialismus. Früher wurden bei uns nur Leute von Österreich nach Zentraleuropa geschickt, heute ist es auch umgekehrt. Aber nicht nur Präpotenz ist im interkulturellen Umgang zu vermeiden, zu brav eintrainierte Verhaltensweisen können ebenfalls kontraproduktiv sein.“ Authentizität ist auch für den aus Bayern stammenden Werner Moertel das Um und Auf. „Man sollte nichts Unsinniges verlangen, um Werte zu schaffen. Werte können nicht geklont werden.“

Welche Kompetenzen sind im interkulturellen Umgang noch gefragt? Katja Teuchmann, bei Deloitte Wentner Havranek Teamleiterin für Talent Management: „Wir haben ein Kompetenzprofil für Global Talents erstellt. Wichtig sind dabei emotionale Stabilität, eine hohe Frustrationstoleranz, Ambiguitätstoleranz und Flexibilität. Auch Offenheit und Respekt gehören dazu.“ Fischer-Ledenice ergänzt: „Die Frage ist generell, wie man mit Fremdheit umgeht. Hier muss man die Aufmerksamkeit auch auf gedachte Ablehnung lenken. Interkulturalität heißt Kommunikation unter erschwerten Bedingungen. Es müssen sämtliche Sensoren ausgefahren werden.“

Boris Schneider über das Beispiel Rumänien, wo Österreich größter Auslandsinvestor ist: „Die wichtigste Prämisse ist Respekt und das Verhandeln auf gleicher Augenhöhe. Dabei sollte man aber eine dicke Haut haben. In Rumänien ist etwa der Zeitbegriff relativ, da darf man nicht beleidigt sein, wenn Geschäftspartner zu spät oder gar nicht erscheinen. Andererseits hat die Freizeit einen höheren Stellenwert. Man tut gut daran, sich auf extrem lange Geschäftsessen einzustellen, auch in privatem Umfeld.“

Wie wichtig sind Kenntnisse der Landessprache? „Sie sind wichtig, aber mit Englisch kommt man auch durch. Wesentlich ist, das Dahinter emotional und inhaltlich zu verstehen.“ Etwas anders Peter Höfinger, der lange in Ungarn und Tschechien gelebt hat: „Wenn jemand jahrelang in einem Land ist, wird es als Affront gesehen, die Sprache nicht zu sprechen.“ Für Hirczi sind Sprachkenntnisse weniger eine Notwendigkeit als eine Form der Wertschätzung – wie viele andere Dinge, die man erlernen könne: „Vieles hat mit Wissen zu tun. Wer beispielsweise über die Geschichte des Landes Bescheid weiß, kommt leichter ins Gespräch.“ Peter Höfinger fügt hinzu: „Die Beschäftigung mit einem Land sollte generell als Bereicherung gesehen werden, die zu mehr Kreativität führt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.