„Offenere Sexualmoral kommt...“

Der katholische Publizist Hubert Feichtlbauer im Interview.

Die Presse: Wie wird es dem Katholizismus in 50 Jahren gehen?
Hubert Feichtlbauer: Es werden alle heutigen Forderungen erfüllt sein. Es wird eine offenere Sexualmoral in der Kirche geben, Frauen werden die gleichen Rechte vorfinden und die Demokratie wird vor Kirchentüren nicht haltmachen.

Wie katholisch ist Österreich noch?
Feichtlbauer: Die Kultur ist durchtränkt von christlichen und katholischen Elementen, aber die Manifestation in Messbesuchen etc. ist sehr stark zurückgegangen und wird weiter zurückgehen.

Wie hat sich die Stimmung seit dem ersten Besuch von Johannes Paul II. gewandelt?
Feichtlbauer: Damals waren die Aufbrüche des Konzils noch spürbar. Die Stimmung heute ist geprägt von Zufriedenheit über die Beendigung von Konflikten, aber auch von viel Resignation und der Meinung, dass es wenig Chancen gibt, etwas zu verändern.
Leidet die Kirche in Österreich nur einer Art Midlife Crisis oder steuert sie auf eine ernsthafte Krise zu?
Feichtlbauer: Es ist eine Krise, keine Frage. Es gab einige geschickte Manöver von Kirchenvertretern, um das Schlimmste zu kaschieren, aber die Nichtlösung von Problemen durch Totschweigen ist keine dauerhafte Lösung.
Viele Kirchenkritiker konzentrieren sich auf die Themen Zölibat, Gleichberechtigung und Demokratie. Sind das nicht nur Stolpersteine in einem viel größerem Transformationsprozess?
Feichtlbauer: Natürlich. Das sind einige Kristallisationspunkte, die man herausgreift. Im Großen ginge es darum, dass die Kirche das Wesentliche des Glaubens unbeschädigt weiterträgt, gleichzeitig historisches Beiwerk abzuwerfen weiß und offen auf Neues zugeht. Die Forderungen des Kirchenvolksbegehrens werden von der Mehrheit der Katholiken mitgetragen. Die Menge derer, die bereit sind, dafür einzutreten ist auf ein kleines Häufchen beschränkt.

Was wäre der wichtigste Impuls für einen Aufbruch?
Feichtlbauer: Menschenrechte. Und das Gewissen als letzte Entscheidungsinstanz.

Besuchen Sie selbst noch regelmäßig den Gottesdienst?
Feichtlbauer: Jeden Sonntag. Ohne Ausnahme.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2007)

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