Morgenglosse

Die Piefke-Jagdgesellschaft sollte sich besser in Zurückhaltung üben...

...denn wenn es mit der Wirtschaftskrise so weitergeht, wird sie bald wieder auf die Unterstützung der deutschen Zahlmeister angewiesen sein.

Für jene Bürger Südeuropa, die im vergangenen Jahrzehnt die Segnungen der europäischen Finanzpolitik am eigenen Leib erfahren durften, müssen die Ereignisse der vergangenen Wochen eine ganz besondere Freude sein. Deutschland, der moralinsaure Musterschüler im europäischen Lehrgang für Haushaltsführung, der seine weniger strebsamen Klassenkameraden nie abschreiben ließ und alle Schummler gnadenlos verpetzte, hat seine Hausaufgaben nicht gemacht und droht nun durchzufliegen, sofern ihm seine Mitschüler nicht aus der Patsche helfen! Dass sich die Bereitschaft dazu im überschaubaren Rahmen hält, liegt auf der Hand, denn schließlich gibt es wenige Situationen im Leben, die den atavistischen Sinn für Gerechtigkeit derart stark ansprechen wie das Schaustück von Hochmut und Fall.

Dass Deutschlands selbst verschuldetes Energie-Debakel und der nunmehrige Ruf aus Berlin nach europäischer Solidarität in jenen (südlichen) EU-Ländern, die im Zuge der Eurokrise den deutsch konnotierten Sparkurs einschlagen mussten, Schadenfreude ausgelöst hat, liegt auf der Hand. Es liefert nämlich den Beweis dafür, dass die schwarze Null im Budget der Bundesrepublik zu einem substanziellen Teil eine Schimäre war. Es fällt nämlich vergleichsweise leicht, Defizite zu vermeiden, wenn man von der Substanz lebt wie der sprichwörtliche südländische Tunichtgut: mit tiefen Löchern in der Infrastruktur, einer an die Nachbarn ausgelagerten Landesverteidigung, von autokratischen Handelspartnern abhängig.

Die Piefke-Jagdgesellschaft, die nun als Retourkutsche für die Austerität der Zehnerjahre Berlin die Gas-Hilfe verweigern will, sollte sich nichtsdestotrotz in Zurückhaltung üben und möglichst rasch auf Deutschland zugehen. Denn in der bevorstehenden Wirtschaftskrise, die Russlands Überfall auf die Ukraine ausgelöst hat, werden die Südeuropäer möglicherweise recht bald auf die Unterstützung der EU und der Europäischen Zentralbank angewiesen sein. Und in Brüssel und Frankfurt hat die Stimme des deutschen Zahlmeisters nach wie vor Gewicht – und das unabhängig davon, aus welcher Richtung das Gas gerade fließt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.