Homöopathie: Wenn der Doktor zweimal lernt

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Anerkannt und doch umstritten, gehört diese Form der Alternativmedizin zu den beliebtesten Österreichs. Praktizieren dürfen sie nur ausgebildete Ärzte – mit entsprechender Weiterbildung.

Humbug oder Segen? Können Extrakte, die im verdünnten Medikament nicht mehr vorhanden sind, heilen? Argumente dafür und dagegen werden regelmäßig publiziert – den Anhängern ist das egal. Die Nachfrage an Ärzten, die auch homöopathisch tätig sind, ist groß: 97 Prozent der Österreicher ist der Begriff Alternativmedizin geläufig, 95 Prozent von ihnen kennen die Homöopathie. Vor allem Frauen sind dafür sehr offen, wie eine Umfrage der Sophie Karmasin Market Intelligence GmbH vor einem halben Jahr ergab. Sie schätzen die ganzheitliche Sicht und die Behandlung mit Arzneien, die in der Natur gewonnen werden.

Wider die Kurpfuscherei

Homöopathie ist in Österreich fest in Medizinerhand. Denn laut Gesetz dürfen ausschließlich fertig ausgebildete und praktizierende Ärzte homöopathische Behandlungen anbieten, sofern sie ein Homöopathie-Diplom erworben haben. Bietet ein Nichtmediziner Homöopathie an, so fällt dies unter den Kurpfuscher-Paragrafen.

Gloria Kozel, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für homöopathische Medizin (ÖGHM), hält diese Regelung für wichtig. „Homöopathen sind ausgebildete Ärzte, die auch die Grenze der Heilmethode kennen. Homöopathie-Kurse für Laien halte ich nur im Rahmen der Information über Detailthemen wie ,Homöopathische Hausaptoheke‘ und dergleichen für sinnvoll.“

Auch Annelies Loibl von der Ärztegesellschaft für Klassische Homöopathie (ÄKH) hebt hervor, dass nur mit einer umfassenden schulmedizinischen Ausbildung und einer Zusatzausbildung in Homöopathie „eine Diagnose richtig gestellt werden und dem Patienten die bestmögliche Therapie angeboten werden“ kann.

Die ÖGHM und die ÄKH sind denn auch in Österreich die einzigen beiden zugelassenen Aus- und Fortbildungseinrichtungen für Homöopathie. Hier erhalten fertige Mediziner eine 350 Stunden umfassende Ausbildung und können sich außerdem regelmäßig fortbilden, wobei Loibl betont, „homöopathische Ärzte müssen sich sowohl homöopathisch als auch schulmedizinisch weiterbilden“. Vertieft wird bei den Fortbildungen einerseits das theoretische Wissen, andererseits kann man sich praktisch austauschen und Supervisionen in Anspruch nehmen.

Zusatzausbildung während des Studiums

Beide Institutionen ermöglichen es Medizinstudierenden, bereits einen Teil der Ausbildung zu absolvieren. Das Diplom wird allerdings grundsätzlich erst dann ausgefolgt, wenn der oder die Betreffende als Arzt praktizieren darf. Seit 1997 gibt es für Studierende zudem die Möglichkeit, das Angebot der StudentInnen Initiative Homöopathie (SIH) zu nutzen. Diese bietet eine wissenschaftliche Ausbildung in Homöopathie schon im Studium – „zu studentenfreundlichen Preisen“, wie Sandra Berger von der SIH betont. Bis zu 200 Stunden dieser Ausbildung werden übrigens für das Ärztediplom in Homöopathie anerkannt. 150 Stunden können schon präpromotionell – also vor Studienabschluss – absolviert werden. Berger empfiehlt, von dieser Möglichkeit auch Gebrauch zu machen, „da in der Ausbildung zum Allgemeinmediziner oder Facharzt kaum Zeit und Energie bleibt, sich intensiv damit zu beschäftigen“.

Im Medizin-Curriculum kommt Homöopathie derzeit nur in sehr kleiner Dosis vor. Einerseits wird sie im Rahmen der Lehrveranstaltung „Interdisziplinäres Patientenmanagement“ in insgesamt sieben Stunden vorgestellt. Andererseits wird das Wahlfach Homöopathie angeboten, mit dem Ziel, die nötigen homöopathischen Grundlagen zu erlernen, um als konventionell tätiger Mediziner kompetent überweisen und interdisziplinär arbeiten zu können, so Berger. Denn die Zusammenarbeit von Schul- und Alternativmedizin ist der Grundstock dafür, dass beide zum Wohl der Patienten agieren können.

Der Andrang an die SIH und das Interesse an der Ausbildung in ÄKH und ÖGHM ist hoch. An der Wiener Medizinuniversität besuchen beispielsweise 100 Studierende regelmäßig Ausbildungsseminare der SIH. Ärzte reagieren damit auch auf die Nachfrage von Patientenseite. „Patienten wollen verstärkt ganzheitlich behandelt werden“, erzählt Loibl. Wenn Patienten spürten, dass Homöopathie bei ihnen wirkt und dadurch klassische Medikamente wesentlich reduziert und vermieden werden können, kämen sie immer wieder darauf zurück.

Geschult werden die Mediziner auch darin, den richtigen Umgang mit der Homöopathie zu vermitteln: „Ich unterweise meine Patienten in der Handhabung wichtiger Akutarzneien, bestehe aber darauf, dass sie mich sofort kontaktieren, wenn es nicht erfolgreich ist – Anginen müssen angeschaut, Bronchitiden abgehört, schmerzende Bäuche inspiziert werden“, so Kozel.

Auf einen Blick

1796 veröffentlichte der Arzt Samuel Hahnemann seine Lehre der Homöopathie. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts führte die als technisiert und rein symptombekämpfend wahrgenommene Schulmedizin zu steigender Nachfrage nach alternativen, ganzheitlichen Methoden wie der Homöopathie.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.aekh.at, www.homoeopathie.at, www.sih.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2012)

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