Dann ist wieder Casablanca

George Clooney spielt in Soderberghs Noir-Konzeptfilm "The Good German" einen Kriegskorrespondenten. Cate Blanchett findet sich in der Rolle seiner Herzensdame Lena wieder.

Hier wirkt nichts geschmeidig: Hollywoods Traumfabrik sieht sich seit Jahrzehnten als gewaltiger, stressfreier (Blockbuster-)Vergnügungspark, aber schon dem ersten Bild von Steven Soderberghs The Good German sind Disziplin und Konsequenz anzusehen.

Vom anmutigen Schwarzweiß des Warner-Studio-Logos zu Archivbildern des zerbombten Nachkriegsberlin: ein Schnitt von Heute ins Gestern, von Konzernordnung zu Schwarzmarkt-Chaos. Auf ebendiesem verdient sich All-American-BoyTully (famos gegen den Strich besetzt: Tobey Maguire) Notwendigkeiten für ein komfortables Leben – schon hier zeigt Soderbergh die moralische Angreifbarkeit seiner Protagonisten.

Als seine zugekaufte Herzensdame tritt alsbald Jüdin Lena (stoisch: Cate Blanchett) aus dem gesetzten Schatten. Mit dem aufrechten Kriegskorrespondenten Jake Geismer (zeitlos: George Clooney), ihrem ehemaligen Liebhaber, vervollständigt sich ein Dreieck, das wieder zerfallen muss.

Doch schon hier fehlt Soderberghs Film Lebenssaft: Der US-Regisseur, Independent-Pionier wie Mainstream-Neudenker, begnügt sich bei der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Joseph Kanon nicht mit ästhetischer Annäherung an herbe Nachkriegs-Noir-Filme. Soderbergh wollte sich einfühlen: Was empfanden große Studioregisseure wie Michael Curtiz (Casablanca) beim Drehen, wie gingen sie mit den unvermeidbaren technischen und logistischen Begrenzungen um, wie formten sie (auch) darüber ihren höchst ökonomischen Stil?

Verkrampftes Bemühen spürbar

Ein verkrampftes Bemühen ist The Good German eingeschrieben: Die exakte Vorplanung und formale Zerlegung von Szenen, die Arbeit in begrenzten Kulissen, die anti-naturalistische Lichtsetzung und die dramatische Interpretation der Figuren schnüren dem spröden Spionagestoff die Luft ab.

Das ist typisch für den Soderbergh, einen Eigenwilligen des gegenwärtigen US-Kinos: Seit ihm 1989 mit dem Zeitgeist-Porträt Sex, Lügen und Video der Brückenschlag zwischen Kunst und Kommerz gelang, wechselt er zwischen angenehm anachronistischem Erzählkino (Out of Sight, The Limey), zusehends hysterischen Massenfilm-Zugeständnissen (Oceans 11, 12 und – bald – 13) und halsbrecherischen Experimenten (Solaris, Bubble). Immer dabei spürbar: Die Filmgeschichte, und wie Soderbergh sie denkt.

Was an The Good German verwundert, ist ein manischer Impuls, der Form über Inhalt triumphieren und Geschichte um persönlicher Erfahrung willen schleifen lässt. Dem Zuschauer mag die Verquickung von dokumentarischem „Wochenschau“-Material und zuerst auf Farbfilm gedrehtem, dann digital entfärbtem Spionage-Melodram befriedigend scheinen, die Gangart des Films produziert spätestens nach der ersten Hälfte zu viel Leerlauf, zu viel Positur.

Eine vielschichtige Moralverhandlung (Kernfrage: „Kann ein Deutscher, der den Zweiten Weltkrieg überlebt hat, gut sein?“) und die angedachte Alternativgeschichte der NASA – als Schuld egalisierendes Auffangbecken für ehemalige Nazi-Wissenschaftler – entschädigen ein wenig, vorrangig bleibt Soderberghs jüngste Arbeit jedoch bloßer Augenschmaus.

Die anmutige Cate Blanchett beeindruckt als konzentrierte Mixtur aus Rita Hayworths aggressiver Selbstbestimmtheit und Sylvia Sidneys liebkindischem Kulleraugen-Charme, George Clooney gefällt als Gutmensch mit Hut. Wenn sich die zwei am Flughafen Tempelhof verabschieden, greift die Inszenierung: Dann ist wieder Casablanca, und ganz große Gefühle fegen durch diesen erkalteten Konzeptfilm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.