Kritik Film: Wer liebt schon Wettervorhersagen?

Ein gelungener französischer Familienthriller: "Keine Sorge, mir geht's gut".

Endlich wieder ein bisschen Generationenkonflikt: Für den Vater ist die Wettervorhersage Fixpunkt im TV-Programm, Tochter Lili mag sie nicht. Sie scheint zu spüren, dass hier nur scheinbare Sicherheit vorgegaukelt wird: Wer kann schon die Zukunft vorhersehen?

Zumal sie schon bei der Vergangenheit nicht durchblickt. Als die 19-Jährige aus dem Sommerurlaub ins elterliche Heim in einem Pariser Vorort zurückkehrt, hat sich etwas verändert – ihr Bruder Loic ist nicht mehr da, nach einem Streit mit dem Vater abgehauen. Worum ging es bei dem Streit genau, und vor allem: Wo ist Loic jetzt? Diese Fragen werden Lili bis zum Ende von Keine Sorge, mir geht's gut vorantreiben. Auf diesem Weg gesellt sich zur Frage danach, was wirklich passiert ist, die Frage nach dem „wirklichen“, dem schönen und guten Leben.

Die Matrix auf Französisch: Das heißt nicht Maschinen statt Menschen und Haferschleim statt saftiger Steaks. Die Illusion besteht aus einem spießigen Leben im Einfamilienhaus, die Realität darin, seine Träume zu leben – so scheint es zumindest.

Die „Programmfehler“, die Spuren des Wirklichen im Falschen, bestehen aus Ansichtskarten, die Loic von seiner Reise quer durch Frankreich an seine Schwester schickt. „Ich hatte genug von dem ewigen ,Räum dein Zimmer auf‘“, schreibt er da, und „Keine Sorge, mir geht's gut“. In dem Lied, das er kurz vor seinem Verschwinden komponiert und aufgenommen hat, singt er: „Lili, take another walk out of your fake world...“

Raus aus der "fake world"

Dieser Schritt heraus aus der „fake world“ hinein in die Realität gelingt Lili schlussendlich auch. Und wie zu erwarten, sieht diese Realität ganz anders aus als erwartet. Wie genau, darf leider nicht verraten werden. Schließlich bittet Regisseur Philippe Lioret, die Auflösung nicht preiszugeben, denn „der Film verdankt seine Wirkung maßgeblich einem Geheimnis“. Darin hat er auch Recht. Ein klassischer Thriller ist sein Film trotzdem nicht. Denn im Mittelpunkt stehen (eher gewöhnliche) Personen und ihre (eher bemerkenswerten) Beziehungen, und mehr als alles andere: die Familie. Dafür braucht es gute Schauspieler, und die hat Lioret gefunden: Lili-Darstellerin Mélanie Laurent bekam den französischen Filmpreis César als „beste weibliche Nachwuchsdarstellerin 2007“, der Komiker Kad Merad in der (ernsten) Rolle ihres Vaters den César als „bester Nebendarsteller“.

Von Lioret war zuletzt Die Frau des Leuchtturmwärters in heimischen Kinos zu sehen. Mit Keine Sorge, mir geht's gut gelingt ihm ein wenn auch nur mittelmäßig, so doch konstant spannender Film mit zum Teil nicht unkomischen Dialogen – und ein schönes Spiel über Schein und Sein, über Wetterkarten und Meteorologen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2007)

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