Neu im Kino: Verderbliche Augenweide

Opulenz, Kampfkunst, Shakespeare-Intrigen: "Der Fluch der goldenen Blume" von Zhang Yimou, dem designierten Choreografen der Olympia 2008.

Ist nach Hero und House of Flying Daggers, den so prächtig ausgestatteten wie erzählerisch komplexen Martial Arts-Filmen von Zhang Yimou (der 2008 die Zeremonien bei der Olympia in Peking choreografieren wird) überhaupt noch eine Steigerung denkbar? Lassen sich Opulenz und Pathos dieser Werke übertreffen?

Angesichts Zhangs ungehemmter Hingabe an ästhetische Perfektion und Schönheit der Oberfläche konnte einen der Eindruck von wundersamen Wesen aus Fantasia beschleichen: blendend und kostbar und nicht von dieser Welt. Wären da nicht die bitteren Geschichten: Verrat und Rache, Liebe und Tod sorgten für Verankerung in der Welt rasender menschlicher Leidenschaften, machten die Filme doch wieder sehr real. Die moralische Diskussion, die Klärung von Werten wie Mäßigung, Nachsicht und Vergebung, die Zhang dabei führte, ist unabhängig von Systemkritik. Sie ist zeitlos. Das beweist auch Der Fluch der Goldenen Blume, mit dem der Regisseur nun tatsächlich noch eins draufsetzt.

Wahnsinnsmedizin, delirantes Dekor

„Eine Fassade aus Gold und Jade, aber darinnen krabbeln die Spinnen.“ Dieses alte chinesische Sprichwort liefert das Motto für die vor über 1000 Jahren in der späten Tang-Dynastie angesiedelte Erzählung. Der Kaiser (Chow Yun-Fat) zwingt seine Kaiserin (Gong Li), derer er überdrüssig ist, eine „Medizin“ einzunehmen, von der sie langsam wahnsinnig wird. Diese wiederum, von ungesunder Leidenschaft für ihren Stiefsohn ergriffen, plant im Gegenzug zum bevorstehenden Chrysanthemen-Fest einen Staatsstreich. Zwei weitere Söhne verfolgen eigene Interessen, der Hofarzt samt Familie verkomplizieren die ohnehin schon komplizierten Verhältnisse. Eine entsetzliche Tragödie nimmt ihren Verlauf und Ströme von Blut fließen. Shakespeare könnte stolz sein.

Das Drama, das sich mit solch schmerzhafter Unausweichlichkeit abspielt und das des großen Elisabethaners durchaus würdig wäre, gewinnt durch die verschwenderische Üppigkeit der Ausstattung noch an Dimension. Wobei das Ornamentale, das die Existenz der kaiserlichen Familie determiniert, sich nicht bloß auf die Kostüme und die Einrichtung der Räume bezieht, sondern ebenso auf die Etikette und das Protokoll, dem die Protagonisten unterworfen sind.

Dem delirant-halluzinogen-bunten Wahnsinn der Innenausstattung, aus dem ein Thronsaal voller Lava-Lampen herausragt, steht ein mindestens ebensolcher Wahnsinn reglementierender Abläufe zur Seite. Die Absurdität des royalen Aufwandes ist dabei durchaus unterhaltsam. Hervorzuheben: die kleine Lärmcombo, die durch die Gänge eilt und mittels blumiger und erbaulicher Verse die Zeit ansagt; vorauseilende Personenansager und Bedeutsamkeit signalisierende Gebückt-Hinterherläufer, die Mitglieder der kaiserlichen Familie auf Schritt und Tritt begleiten. Kein Wunder also, dass in solcher Atmosphäre sich schließlich auch die Gefühle dem Wahnsinn zuneigen und jedes Maß verlieren. Es ist die absolute Herrschaft der Form, an der die Figuren zu Grunde gehen. Man könnte sagen: Es ist die Form der absolutistischen Herrschaft, die ihren Untergang heraufbeschwört.

Außer über die zur Schau gestellte Amoral war man im Reich der Mitte jedoch auch über einen weiteren beachtlichen Schauwert des Films nicht ganz glücklich. Die Äpfelchen-Brüste, die aus den Dekolletés der Gewänder von Gong Li förmlich herausspringen wollen, haben im prüden China jedenfalls zu einer Debatte über die Notwendigkeit eines Altersfreigabesystems geführt. Dabei wäre ein derart entzückender Anblick doch eigentlich jedem zu gönnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2007)

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