Ein Kind von Marx und Coca-Cola

Will Ferrell ist derzeit der beste Filmkomiker der USA. Notizen zum Start seiner neuen Slapstick-Satire "Blades of Glory – Die Eisprinzen". Ab Freitag.

Er ist ... Sex on Ice! Der Mann, dem sie das nachsagen, hat wenig von der feingliedrigen Eleganz, die man mit Eiskunstläufern assoziiert: Bierbäuchig, Testosteron schwitzend erobert ein Cowboy zu fetter Rockmusik die Eisfläche. Er ist selbsternannter Rebell und, zeigt sich, Mitglied bei den Anonymen Sexsüchtigen. Unter den Tätowierungen, die seine surreale Lebensgeschichte erzählen, steckt außerdem: ein herzensguter Mensch.

Die Hauptfigur der Slapstick-Satire Blades of Glory – Die Eisprinzen ist mit dem charakteristisch redundanten Namen Chazz Michael Michaels gesegnet und auch sonst ein typischer Charakter für Komiker Will Ferrell: Ein mit absurden Details ausgeschmückter Vorwand, um der süßen Kunst gedankenspringender Improvisation zu frönen. Ferrell wurde in den 1990ern als TV-Darsteller bekannt, wichtig war vor allem die Kultserie „Saturday Night Live“: Ein Übungsfeld für spontane Comedy und sensationelle Mimikry (besonders beliebt: sein blöder Bush). Es war Grundlage für Ferrells Aufstieg zum bedeutendsten Kino-Komiker der USA.

In den letzten Jahren hat Ferrell zwischen Auftragsarbeiten wie Bewitched oder The Producers und Kunstgewerbe-Ausflügen wie Woody Allens Melinda und Melinda oder zuletzt Stranger than Fiction eine kleine Renaissance der exzentrischen Ensemblekomödie eingeleitet. Andere große Leinwand-Clowns wie Jim Carrey betonen Perfektion und Narzissmus, Ferrell ist eher entspanntes Zentrum für Gruppen-Improvisationen eines lose verbundenen Komiker-Trupps mit Lizenz zur irrwitzigen Assoziation.

Im Regisseur-Autor Adam McKay fand Ferrell den kongenialen Partner. 2003 entwarfen sie in Anchorman: The Legend of Ron Burgundy eine absurde Anthologie männlicher Ängste vor der ironischen Kontrastfolie schnauzbärtigen Seventies-Machismos. Der Film erntete Vergleiche mit den anarchischen Klassikern der Marx Brothers. Ferrell und McKay sind aber eindeutig Kinder von Marx und Coca-Cola, das belegte 2006 ihr Meisterwerk Talladega Nights: The Ballad of Ricky Bobby: Populärkultur, Traditionen und Vorurteile der USA spielen in der freiflottierenden Rennfahrer-Komödie die Schlüsselrolle. Liebevoll-liberale Faszination prägt das Porträt des NASCAR-Tourenwagen-Zirkus, der gerade bei Männern aus der konservativen Südstaaten-Unterschicht populär ist, die Marktforschung nennt sie „NASCAR-Dads“: Die strömten auch ins Kino, machten den Film zum Hit – hierzulande kam er, wie schon Anchorman, nur auf DVD.

Heftiger Kuss mit Sacha Baron Cohen

Dabei spielte sogar Sacha Baron Cohen, der kurz darauf als Borat zum Weltstar wurde, Ferrells Renn-Widersacher: Einen aus der Formel 1 importierten, schwulen, Sartre lesenden Franzosen mit übertriebenem Akzent. Die Hassliebe der Kontrahenten löst sich schließlich in einem leidenschaftlichen Kuss. Die Überwindung vermeintlicher Gegensätze ist entscheidend in Ferrell-Komödien, sorgt für Humanismus im Herzen improvisierten Irrsinns – der sichtlich auch bei der Entstehung von Blades of Glory waltete.

Die neue Komödie entstand zwar ohne Buch-Beitrag von Ferrell (und ganz ohne McKay, das Duo arbeitet derzeit am Projekt Step Brothers), aber vermittelt erstmals im hiesigen Kino eine leichte Ahnung seines persönlichen Comedy-Universums. Die Sexualängste, die stets mitschwingen, finden hier selbstverständlich Ausdruck, nachdem Ferrells Eiskunstläufer und sein braver Erzrivale (John Feder) als erstes männliches Paarläufer-Team antreten müssen.

Die Gründe dafür sind so verrückt wie beliebig: Der Film begnügt sich damit, schlankerhand rund ums naheliegende Konzept Narrenfreiheit für rasante Gags zwischen Nordkorea und Tonya Harding auszurufen und überlässt den Rest dem exzellenten Ensemble. Ferrells Größe zeigt sich auch, indem er die atemberaubendsten Momente anderen überlässt: Unübertrefflich die ganz groß geschmacklose, nur kurz aufblitzende Darbietung der inzestuösen Bösen (virtuos: Will Arnett und Amy Poehler) – die Tragödie von JFK und Marilyn...on Ice.

Inline Flex[Faktbox] KOMIKER: Zufalls-Karriere("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2007)

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