"Hostel 2" und "Primeval": Wenn Menschenfleisch zur Ware wird

Zum Töten ersteigert: Heather Matarazzo (links) als Opfer einer Killer-Kapitalistin.
Zum Töten ersteigert: Heather Matarazzo (links) als Opfer einer Killer-Kapitalistin.(c) Sony
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Blutige Filme über Politik: Klischee und Kritik in den Schockern "Hostel 2" und "Primeval".

Die unscheinbare Studentin Lorna (Heather Matarazzo) hängt nackt, in Ketten kopfüber von der Decke eines Fabrikraums: In der gefliesten Wanne unter ihr liegt eine schöne Unbekannte und delektiert sich an den Angstschreien. Dann schwingt sie mehrmals eine Sense über Lornas Rücken und Bauch. Ein Blutbach ergießt sich über die Peinigerin, die schließlich die Halsschlagader der jungen Frau öffnet und ihr beim Verbluten zusieht.

Die Szene aus Eli Roths Hostel2 bringt zumindest das fest in den 1970ern verankerte ästhetische Projekt des Jungregisseurs auf den Punkt: Der theatralische Sensationalismus europäischer Exploitation-Filme wird mit der nüchternen Fleischlichkeit gekoppelt, die in Horrorfilmen wie Tobe Hoopers The Texas Chain Saw Massacre (1974), aber auch in Rainer Werner Fassbinders In einem Jahr mit 13 Monden (1978) zu sehen war.

Roth vermittelt zwischen dem lustvollen und dem lustlosen Körper, zwischen (filmischer) Nacktheit als Projektionsfläche für allerlei Sehnsüchte und ihrer Schändung durch Folterinstrumente. Eigentlich verstörend an der handwerklich feinen Gräuel-Pastiche ist ihre Rückbindung an aktuelle gesellschaftliche und politische Diskurse.

Grausamkeiten wie in Abu Ghraib

Schon im Horror-Erfolg Hostel reflektierte Roth in Bildern von Vernichtungsfabriken die Grausamkeiten von Abu Ghraib und Guantánamo Bay. Den blutigen Film sahen viele als Kommentar zum kulturellen US-Imperialismus und zur Bush-Außenpolitik. Waren die Schächer darin noch weitgehend gesichts-, jedenfalls geschichtslos, erweitert Hostel 2 die Perspektive: Um jene der abgestumpften Reichen, die zum Töten in den Osten Europas reisen. In einer imaginierten Slowakei zwischen mittelalterlichem Straßenfest und Fließband-Morden werden sie vom Unternehmen Elite Hunting luxuriös einquartiert und aufs Treffen mit dem ersteigerten Gut (eben: das meist junge Folteropfer) eingestimmt. Das Defilee der finanzstarken „Jäger“ (die Split-Screen verbindet japanische Anzugträger und Familienväter) ist ernsthafte Kapitalismuskritik.

Roth bedient sich nicht nur im reichhaltigen Ideen-Fundus des Beuschelfilms, er übernimmt auch dessen inszenatorische Eindimensionalität und Klarheit. Wo viele Genrefilme unter Ausdifferenzierungen im Gefolge von Gender- und anderen Political Correctness-Diskursen ächzen, getraut sich Roth in den Schmutzkübel einzutauchen.

Seine Slowakei ist bevölkert von Halsabschneidern, Janusgesichtigen, Falschzüngigen: Kinderbanden spielen mit abgetrennten Köpfen Fußball, stämmige Bartträger liefern holde Jungfrauen an Sadisten aus. In grobschlächtigen Klischees findet Roth kräftige Bilder für eine Gesellschaft, in der alles käuflich ist: Der Körper-Horror erweitert sich ins Politische, wenn Menschenfleisch zur Ware wird. In Michael Katlemans Primeval– Die Fährte des Grauens verkleidet sich hingegen das Politische als Horrorgeschichte: Journalisten reisen nach einem Todesfall ins ostafrikanische Burundi, um die Legende vom Killerkrokodil Gustave zu überprüfen.

Zum Biest gesellt sich die Bestie Mensch

Afrika-Abenteuer aus westlicher Perspektive darf nicht mehr Klischees der Quatermain-Romane (wieder) bestätigen: Wie Leo DiCaprios Diamantenjagd in Blood Diamond wird die Monsterjagd zur humanitären Expedition ins Herz der Finsternis. Der schillernde Exotismus (und latente bis manifeste Rassismus) älterer Afrikafilme wird gegen Leidensbilder der unterdrückten Bevölkerung getauscht: Das koloniale Klischee wird zum postkolonialen, zum Biest gesellt sich die Bestie Mensch als gnadenloser „Warlord“.

Anders war der Duktus in Filmen, auf die sich Hostel 2 bezieht: Etwa Ruggero Deodatos umstrittener Italo-Schocker Cannibal Holocaust (1980), den einige als Untergang der Zivilisation, andere als gnadenlos-geniale Kritik an derselben sahen. In Roths Folterfabrik hat Deodato einen Gastauftritt: Als weißhaariger Herr, der einem Lebenden das Fleisch vom Bein schneidet und es genüsslich verspeist. 2009 soll ein Remake seines Skandalfilms kommen: Ernsthafte Konkurrenz für Eli Roth als politischer Regisseur.

HORROR: Blutiger Trend

Umstrittene US-Horrorfilme wie Eli Roths „Hostel“ (2005) waren so blutig wie erfolgreich, im Trend folgt nun Roths Fortsetzung „Hostel 2“, eben österreichweit angelaufen, „Primeval“ startet am Freitag, den 21. Juni.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2007)

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