"Black Book": Die Melodie, nach der man springen muss

'Ich verweigere bloß Selbstzensur!' Paul Verhoevens jüdische Heldin (Carice van Houten) zeigt in 'Black Book' Bein für die Nazitruppen.
'Ich verweigere bloß Selbstzensur!' Paul Verhoevens jüdische Heldin (Carice van Houten) zeigt in 'Black Book' Bein für die Nazitruppen.(c) Einhorn
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Tückische Vollendung des Lebenswerks: Verhoevens Kriegsfilm "Black Book". Ab 15.August im Kino.

Die Heimkehr aus Hollywood markiert Paul Verhoeven mit der bislang teuersten Produktion Hollands: Aber sein epischer Weltkriegs-Actionthriller Black Book (im – übrigens vorteilhaft mehrsprachigen – Original: Zwartboek) ist wie die meisten Filme des umstrittenen Niederländers eine ruhmreich perverse Kombination aus klassischem amerikanischem Erzählkino und entschieden europäisch geprägter Freigeistigkeit.

Als großartiges Großproduktionsunterhaltungskino hält sich der Film an Traumfabriktraditionen, die Hollywood längst vergessen zu haben scheint: Kein Zufall, dass die Heldin im Lauf der so packend wie absurd wendungsreichen Handlung mit Jean Harlow und Greta Garbo verglichen wird: Carice van Houten als attraktive jüdische Sängerin verdingt sich für Hollands Widerstand (und ungewohnt altruistisch für eine Verhoeven-Protagonistin) bei den Nazis, steigt bald mit einem wirklich warmherzigen Hauptsturmführer (Sebastian Koch) ins Bett und verkörpert sowohl die reine Lebenskraft als auch eine Art Superstar: In einem der boshaftesten reflexiven Momente eines daran keineswegs armen Films unterhält sie die Nazi-Granden in der Zentrale mit dem Schlager von der „Melodie, nach der ich singen muss“, gegen Ende lässt sie sich von einem Balkon fallen wie eine Hardrock-Diva, die sich unter tobende Fans wirft.

Gewagt die widersprüchlichen Schattierungen im zur Schwarz-Weiß-Malerei neigenden Genre: Aus vier Dekaden Recherche – sogar die Briefmarkensammlung des netten Nazis basiert auf Fakten! – haben Verhoeven und sein holländischer Stammkoautor Gerard Soeteman eine eskalierende Serie ethischer Zwickmühlen konstruiert, ohne auf lieb gewonnene Reize maßlosen Pulp-Kinos zu verzichten. Nicht nur in dieser unerhörten Verschränkung ist Black Book Vollendung von Verhoevens Lebenswerk, einer mitreißenden wie desillusionierten Anthologie menschlicher Abgründe: eigentlich moralisch, aber antimoralistisch, und in jeder Hinsicht Antithese zu Schindlers Liste. hub

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2007)

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