"Hallam Foe": Kriegsbemalung aus der Schatzkiste

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Ein modernes Märchen als flottes Pop-Drama: „Hallam Foe“.

Der Junge hockt in seinem Baumhaus, beobachtet die Welt: Losgelöst vom Lebensernst zergeht Hallam Foe (körperlich: Jamie Bell) zwischen naturmystischem Traum, Bubenfantasie und Trauerverarbeitung. Aus der Schatzkiste holt er Farben zur Kriegsbemalung seines Gesichts, von der Bretterwand blickt das riesige Gesicht seiner Mutter: zwei Jahre zuvor wurde sie tot aus dem angrenzenden See geborgen. Mit seinem vierten Spielfilm Hallam Foe schreibt der Schotte David MacKenzie sein Kino der zerstörerischen Leidenschaften fort: In Young Adam führte Amour Fou auf einem Kohlekahn zur Wasserleiche, in Asylum das Begehren einer Mutter zum Kindsmord.

Sexualität wird auch Hallam Foe zur Gefahr: Verity (Claire Forlani), die neue Frau seines Vaters, will Hallam körperlich von ihrer Unschuld am Tod der leiblichen Mutter überzeugen. Er flieht nach Edinburgh, erobert dort die Dächer: Das Baumhaus wird zum Uhrturm, aus dessen Fenster beobachtet er Kate (Sophia Myles), ein Ebenbild seiner Mutter. Als sie tatsächlich Interesse an Hallam zeigt, droht dessen Traumwelt zu kollabieren.

Ein klassischer Entwicklungsroman

Hallam Foe ist klassischer Entwicklungsromanstoff: Ein schüchterner Junge verarbeitet sein persönliches Trauma, dabei lernt er, eine kontrollierbare, aber unbefriedigende Fantasie aufzugeben, und akzeptiert eine erfüllende Realität. Die gleichnamige Buchvorlage von Peter Jinks ist beispielhaft für eine neuere britische Jugendliteratur verstörender Geschichten vom Erwachsenwerden in romantisch-märchenhaftem Grundton.

Das Kindlich-Fantastische zeigt sich schon im Vorspann des Films: Der schottische Künstler David Shrigley zeichnete die Abenteuer eines flügge gewordenen Jungvogels. Das Grundthema jugendlicher Freiheit setzt sich im treibenden Soundtrack fort (u.a. von der Briten-Band Franz Ferdinand). Hallams Flug führt schließlich zurück in die Vergangenheit, hin zum Wasser: Für MacKenzie lösen sich darin die Grenzen des Zeitlichen auf. Hier kann der Bub den traumatischen Muttertod begreifen, im fließenden Element warten alle Antworten.

Hallam Foe ist ein modernes Märchen, inszeniert an vertrauten Orten (das Haus im Baum, die Tote im See, das Versteck im Turm) und mit bekannten Figuren (der machtlose König, die böse Stiefmutter, die holde Prinzessin), aber ausgespielt als flottes Pop-Drama. mak

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2007)

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