"Tuyas Hochzeit": Das Minderheiten-Mascherl der Mongolin

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Existenzdrama in der Steppe, politisch dubios: der Berlinale-Sieger „Tuyas Hochzeit“. Ab Freitag.

Einige Male sind Stadtbilder zu sehen: Wilde, chaotische Gebäudehaufen als Kontrast zur aufgeräumten mongolischen Steppe, in der Tuya (stoisch, großartig: Yu Nan) als Hirtin das Überleben ihrer Familie sichert. Ihr Mann Bater ist seit einem Unfall arbeitsunfähig und so ruht der mühevolle Arbeitsalltag auf den Schultern der außergewöhnlichen Frauenfigur, um die Wang Quan'an die Geschichte von Tuyas Hochzeit inszeniert.

Vor dem entleerten Naturhintergrund der Inneren Mongolei spielt sich ein Drama der Abhängigkeiten und Existenzängste ab: Tuya willigt nach einer Erkrankung in die Scheidung von Bater ein, um durch Wiederverheiratung dem Mann angemessene Pflege und sich und ihren Kindern ein weniger aufreibendes Leben zu ermöglichen. Der Neureiche Baolier hat zugestimmt: Er bringt die Hirtin in die Stadt, während für ihren Mann in einem Heim gesorgt werden soll. Doch Bater macht die Trennung von Tuya so zu schaffen, dass er durch eine Verzweiflungstat einen Ausweg sucht.

Tuyas Hochzeit unterscheidet sich ästhetisch von den folkloristischen Parabeln Byambasuren Davaas (Die Geschichte des weinenden Kamels) oder dem unlängst gelaufenen Kinderfilm Mongolian Ping-Pong. Die Bilder des deutschen Kameramannes Lutz Reitemeier sind eher auf Körper und Gesicht als auf den (dennoch unzweifelhaft genutzten) landschaftlichen Reiz konzentriert. Doch das Interesse des Regisseurs gilt vorwiegend dem Vorantreiben der Erzählung, weniger der Stimmungsmalerei: Der Film hat seine stärksten Momente, wenn Tuya im Angesicht der Lebensaufgaben zusammensackt und von neuem Kraft schöpft.

Spiegelt man den im Westen erfolgreichen (Berlinale-Sieger 2007), in der Heimat kommerziell gefloppten Mongolenfilm allerdings in die von Peking errichtete filmpolitische Landschaft, verliert Tuyas Hochzeit schnell an Kontrastreichtum. Schon die Entscheidung, alle Figuren Mandarin, nicht einen mongolischen Dialekt sprechen zu lassen, drückt Sensibilitätsmangel aus hinsichtlich der Bevölkerung der Inneren Mongolei, einem Autonomen Gebiet der Volksrepublik China, das auf seine kulturelle wie sprachliche Eigenständigkeit sehr stolz ist. Wang Quan'ans Film hat wie der Tibetwestern Kekexili einen unangenehmen politischen Beigeschmack, da er eine Minderheit zum erfolgreichen Exportgut aufmascherlt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2007)

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