Film: Der Teufel trägt ein Diamantencollier

Film. Leonardo DiCaprio als Edelsteinschmuggler in Afrika. Zeigefingerkino aus dem B-Film-Genre.

Die blutrote Sonne versinkt am Ho rizont: ein passendes Stimmungs bild für Sierra Leone. Das westafri kanische Land, in dem Edward Zwicks Thriller "Blood Diamond" spielt, ist vom Bürgerkrieg zerfressen. Blitzartig zerstören Rebellen ein friedliches Dorf, erschießen, verstümmeln oder versklaven die Bewohner. Solomon Vandy (Djimon Hounsou) wird von seiner Familie getrennt und zum Diamantenabbau gezwungen, sein Sohn Dia wird später von denselben Männern zum Kindersoldaten ausgebildet.

Am anderen Ende der Hackordnung steht der clevere Südafrikaner Danny Archer (mit entsprechendem Dialekt: Leonardo DiCaprio), der als Soldat in Angola mit Edelsteinen in Kontakt kam und als Diamantenschmuggler tätig ist. Durch Zutun von Regierungstruppen landen beide Männer im Gefängnis: Dort erfährt Danny, dass Solomon einen besonders großen, pink gefärbten Diamanten in der Erde vergraben konnte. Er überzeugt den geschundenen Familienvater davon, gemeinsam auf die Suche nach dem Stein zu gehen, um sich die Unabhängigkeit und Solomon die Familie zurückzugeben. Mit Hilfe der resoluten Journalistin Maddy Bowen (verschenkt: Jennifer Connelly), die beide Männer als Kollegen ausgibt, gehen sie auf die gefährliche Reise.

Sie führt quer durch die Wirklichkeit. Zwick suspendiert gebräuchliche Afrika-Bilder, zeigt nur einmal - und das ganz verschämt - wildes Getier durch die verdreckte Fensterscheibe eines Autos. "Blood Diamond" ist Weltbetroffenheitskino in NGO-Ästhetik: Wo die verdienstvollen Organisationen zur Spendeneintreibung auf emotionalisierendes Bildmaterial setzen müssen, sollte unter dem ästhetischen Mantel eines Kinofilms mehr stecken als bloße Zweckdienlichkeit.

Einerseits verwendet der Regisseur Stereotypen des Abenteuerfilms, möchte diese andererseits aber einstampfen - das Ergebnis ist Zerrissenheit. Mit Kamera-Künstler Eduardo Serra arbeitet Zwick einen Fächer visueller Afrika-Klischees heraus, die als stilistische Grundausrüstung des politisch korrekten Neo-Abenteuerfilms gelten dürfen: Machte der klassische B-Film die Lebensrealität der Afrikaner unsichtbar und den realen Schauplatz zu einem Traumort, so dominiert in "Blood Diamond" der erhobene Zeigefinger eines Industriestaatlers - der Sand ist rot, da darauf Blut vergossen wurde, selbst die UNO steht dem Geflecht aus Korruption, Armut und Leid machtlos gegenüber, und der Name Solomon erinnert nicht zufällig an H. Rider Haggards 1885 veröffentlichten Klassiker der Abenteuerliteratur, "King Solomon's Mines".

Zwick suspendiert dessen klassische Afrika-Ikonografie, installiert eine neue: die hungernder Kinder, aufgeblähter Bäuche, leerer Augen. Der spekulative Umgang mit diesen Leidensbildern und deren Einfügen in Besserwisserei sind obszön. Dabei ist "Blood Diamond" nicht die erste Produktion, die sich anschickt, den armen Kontinent mit neuen Bildern zu versorgen. Auch Andrew Niccols zahnlose Waffenhändler-satire "Lord of War" (2005) und Terry Georges ambitionierter "Hotel Ruanda" (2004) besahen Afrika von außen, in Kürze wird der dafür mit dem Golden Globe ausgezeichnete Forest Whitaker als ugandischer Diktator Idi Amin in "The Last King of Scotland" (2006) überzeugen.

Zwicks wenig abenteuerlicher Abenteuerfilm produziert jedenfalls - positiver Nebeneffekt - massig Aufmerksamkeit für gewaltige internationale Probleme, verfällt dabei jedoch einer sofortigen Schuldzuschreibung und malt den Teufel als industriestaatliche Hedonistin mit Diamantencollier an die Wand. In seiner Einfalt ist "Blood Diamond" dann doch wieder B-Film.

Am kommenden Freitag erscheint im Economist der "Presse" ein großer Bericht über den Diamantenhandel in Afrika.

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