Die letzte Vorstellung

Neu im Kino. Robert Altmans Abschiedsfilm "A Prairie Home Companion".

Der Tod eines alten Mannes ist keine Tragödie', sagt die Dame ganz in Weiß (Virginia Madsen). Sie muss es wissen: Als "gefährliche Frau", als Todesengel geistert sie durch Robert Altmans A Prairie Home Companion. Es ist eine Country-Abschiedsrevue mit Schwächen, aber auch beiläufig charmanten und tatsächlich bewegenden Einlagen: So gesehen das würdige Vermächtnis eines zeitlebens zutiefst unebenen Regisseurs.

Im November ist Altman 81-jährig verstorben, nur neun Monate nach der Premiere dieses federleichten Films, der doch so obsessiv ums Sterben kreist, das sorgt für eine altersweise Aura, die vielleicht ein wenig unverdient ist, aber rührend: Ganz wie in Jean Renoirs ebenfalls bunt-frivol um eine Musikrevue kreisenden Alterswerk French Can Can wird vom Verstreichen der Zeit erzählt, von Erstarrung als eigentlichem Feind der Kunst. Die geht schließlich anderswo weiter - und sei es bei Teenie-Idol Lindsay Lohan, die hier als suizidaler Spross einer Sängerinnen-Dynastie auftritt.

Altman folgt dem Entstehen und vor allem dem Vergehen mit einer Mischung aus Ergriffenheit und Achselzucken, nirgendwo so elegant wie in der Eröffnung: das Bild eines Funkturms, dazu Klänge einer Sendersuche. Während die Störgeräusche schwinden, beginnen die Sterne am Himmel zu leuchten. Ein in aller Bescheidenheit majestätisches Lichtspiel - und doch nicht mehr als ein Spiegelbild in einer Pfütze.

Dann kommt der menschliche Faktor hinzu, bei Altman immer Anlass für Lächerlichkeit wie Wunder(n). Kevin Kline als (zu patschertem Slapstick neigender) Sicherheitsbeauftragter führt in die letzte Vorstellung: Die fiktive finale Übertragung von Garrison Keillors realer, seit drei Dekaden erfolgreicher Nostalgie-Ironie-Radioshow "A Prairie Home Companion". In den Seitenflügeln des ehrwürdigen, zum Abriss frei gegebenen Theaters wird bald der nur "Axeman" genannte Scherge (Tommy Lee Jones) der neuen Besitzer auftauchen, eines namenlosen Firmenkonglomerats, das für Traditionen wenig übrig hat.

Aber Altman und Keillor, der fürs Drehbuch zeichnet und unter "G. K." als Zeremonienmeister die Film-Show orchestriert, interessiert kein politischer oder sozialer Kommentar, nur (manchmal angestrengt beschworene, manchmal leichtfüßig herbeischwebende) metaphysische Melancholie und die Freuden der Gruppendynamik: In seiner Radiosendung beschwört Keillor - ob satirisch oder empathisch, ist oft unklar - das schwere, aber ehrliche Leben im altmodischen Lake Wobegone; die Country-Songs, die das harte Los erträglicher machen, treten im Film ganz in den Vordergrund (und G. K. zurück). In bester Altman-Manier zoomt und fährt die von Ed Lachman virtuos gehandhabte Digitalkamera durchs Durcheinander, während sich eine kleine Star-Parade vor und hinter der Bühne inszeniert.

Das ist teils heiter, insbesondere bei den zum genial schlechten Wortspiel neigenden singenden Cowboys Dusty und Lefty, teils elegisch, wie im Falle des unerwartet in seiner Garderobe entschlummernden alten Country-Recken (verkörpert von L. Q. Jones, schlitzohriger Nebendarsteller-Veteran der Western von Altmans Zeitgenossen Sam Peckinpah). Meist ist es irgendwo dazwischen, wie im Fall der süßherb schlagabtauschenden Johnson-Schwestern: die souveräne Altman-Veteranin Lily Tomlin und Meryl Streep, deren Manierismen das schön fließende Ensemblespiel empfindlich stören.

Auch dieser recht milde und harmlose letzte Film scheint ganz Zwischenreich - das Publikum im Auditorium wird zuerst vorgestellt, dann geflissentlich ignoriert, so als genügte sich Altman bei der Abschiedsvorstellung selbst als Zuseher, froh über jeden weiteren glückselig eingefügten Auftritt, jede andere angenehme Ablenkung. So lange sie nur den Abschied hinauszögert.

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