"Abbitte": Erstickt in imposanten Bildern

UIP (Alex-Bailey)
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Keira Knightley, der Krieg und das Kunstgewerbe: Joe Wrights „Abbitte“ nach Ian McEwans Roman, ein papierenes postmodernes Prestigeprodukt. Ab Freitag.

Joe Wrights Anglo-Adaption Abbittenach Ian McEwans gleichnamigem Roman (Original: Atonement) hat offensichtlich die Ambition, ein Film über die Macht des Geschichtenerzählens, die Tücken der Wahrnehmung und die Gründe für Täuschungsmanöver zu sein – kurz: ein großes Kunstwerk, auch über die Kinokunst.

Stattdessen ist es ein Film über die Macht des Anblicks von Keira Knightley in durchsichtiger nasser Wäsche, die Taschenspielertricks der Filmtechnik und die abgrundtiefe Selbstgefälligkeit der Prestigeproduktionsmaschinerie geworden – kurz: ein weiteres Stück seelenloses Kunstgewerbe, und nicht einmal besonders kinematografisch.

Darauf wird wenigstens ehrlich eingestimmt: Schon über die Vorspannmusik legt sich aufdringliches Schreibmaschinengeklapper, das auch im weiteren Verlauf öfters ungut auffällt. Es ist, als riefe einem Regisseur Wright ständig zu, dass sein Film das ach so „literarische“ Spiel mit Erzähl-, Reflexions- und Metaebenen der Buchvorlage nachvollziehen zu gedenkt. Und niemand könnte es einem verdenken, möchte man den Filmemacher dafür knebeln (nicht sehr fest, sogar seine Aufdringlichkeit hat doch diese englische Höflichkeit) und ihm nahelegen, doch einfach der Handlung seines Films zu folgen: Da wird das alles nämlich ohnehin überdeutlich ausbuchstabiert.

Unterwäsche und Untat in Hochglanz

Aber so klappert eben auch noch die Maschine, während ein junges Mädchen mit viel zu viel Fantasie und frühreifen literarischen (vielleicht auch nur „literarischen“) Ambitionen den Vorgängen im englischen Herrenhaus am Vorabend des Zweiten Weltkriegs folgt: Ihre ältere Schwester (Keira Knightley) muss sich, zurück von der Uni, über ihre Gefühle für den Sohn des Hausmeisters (James McAvoy) klar werden. In brütender Hitze, verwirrtem Gefühlstaumel und schließlich sogar nur in Unterwäsche im Brunnen. Woraufhin der seine Liebe mit einem obszönen Briefchen bekennt. Unterdrückte Leidenschaft entbrennt, ein Skandal folgt auf dem Fuß, die junge Schwester beschuldigt schließlich den Geliebten der älteren einer Untat, ruiniert beider Leben.

Das ist wenig aufregend, doch wenigstens genehm gespielt, protzig ausgestattet, hochglänzend fotografiert: altbackenes Adaptionskunstgewerbe in postmoderner Papiermanier. Erschwerend hinzu kommt jedoch Wrights vermutlich filmische Idee von beeindruckender Vielschichtigkeit, die sich darin erschöpft, Szenen mit begeisterter, vermeintlich beeindruckender Penetranz aus anderer Perspektive zu wiederholen, als hätte er dieses Verfahren eben erfunden.

Und dann kommt der Krieg, in den der Geliebte zieht, während zwei Schwestern zu Krankenschwestern werden (nur eine als Abbitte). Wright aber packt vollends und rettungslos der große Kunstwille: In Frankreichs Pfützen spiegeln sich die Flieger (eine Einstellung, die vor der digitalen Ära tatsächlich erstaunt hätte), in Dünkirchen fährt die Kamera minutenlang selbstgefällig durch die Soldatenmassen, die auf Evakuierung warten, und in Londons Lazaretten gehen die Lichter aus. Alles aufdringlich virtuos choreografiert, selbstverständlich.

Dabei erschlägt künstlich technische Wucht die behauptete Tragödie in der Erzählung, deren Potenzial zu künstlicher Rührung fällt dem Mangel an mitfühlender Imagination anheim. Nur kurze, alte Wochenschauaufnahmen schockieren einmal, allein schon durch ihre ungeschönte Lebendigkeit inmitten so viel „literarisch“ einbalsamierter, erbarmungslos glatt polierter Fiktion. Sonst geht es dem Zuseher wie jener Figur, die schließlich bei einem Bombenangriff von Wassermassen im U-Bahn-Schacht ertränkt wird: Man erstickt, aber wenigstens in imposanten Bildern. Die Abbitte danach kommt in jeder Hinsicht zu spät. Im Sucher S. 39

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2007)

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