"Von Löwen und Lämmern": Kämpfen, ohne zu verletzen

Centfox
  • Drucken

Neu im Kino. US-Krisenfilm, redselig: Redfords „Von Löwen und Lämmern“. Ab heute.

Im Schlachtfeld Hollywood müssen die Fronten klar gezogen werden: In regelmäßigen Abständen werden die Akteure der anpolitisierten Traumfabrik dem Zwei-Parteiensystem zugeordnet und die Öffentlichkeit mit Bekenntnissen gefüttert.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich Robert Redford als altgedienter Liberaler in den Bilderkrieg wirft: Mit einem Film wie Von Löwen und Lämmern war aber nicht zu rechnen. Schon der Titel verdankt sich einem Zitat aus dem Ersten Weltkrieg, das den vermittelnden Duktus des Politdramas angibt: Redfords siebente Regiearbeit versteht sich als diskursive Erschließung des „Kriegs gegen den Terror“, der sich – so viel weiß man bereits – weniger im Irak und in Afghanistan als in den Schaltzentralen der Macht abspielt. Redford beginnt mit einer ambitionierten Montage, die jene drei Episoden miteinander verbindet, zwischen denen später hin und her geschaltet wird.

Ein Film zum Wort, ungelenk inszeniert

Auf Papier gedruckte Fakten werden dabei zur visuellen und inhaltlichen Brücke: Die erfahrene Fernsehjournalistin Janine Roth (souverän: Meryl Streep) blickt auf ihren Notizblock und Tageszeitungen; Politikwissenschaftler Stephen Malley (pädagogisch wertvoll: Redford) studiert die Anwesenheitsliste seiner Studenten; ein Leutnant (The-Kingdom-Regisseur Peter Berg) macht sich auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram mit der neuen Militärstrategie vertraut.

Diese Hauptfiguren schickt Redford im episodischen Handlungsverlauf auf Reisen: Roth trifft den rhetorisch brillanten republikanischen Senator Jaspar Irving (Selbstläuferrolle für Tom Cruise), der ihr seinen neuen Afghanistan-Plan zur medialen Erstverwertung anvertraut. Malley zerdiskutiert mit einem seiner Studenten dessen Lethargie, versucht, ihn zu politischen Taten zu aktivieren. Der Leutnant weist seine Männer, darunter auch zwei ehemalige Studenten Malleys, in den neuen Einsatzplan ein.

Von Löwen und Lämmern ist ein Film zum Wort, als solcher einigermaßen ergiebig: Matthew Michael Carnahans Drehbuch ist konkret im Ausstellen politischer Stehsätze und rhetorischer Strategien („Wir haben alle Fehler gemacht!“, gesteht der Senator), im ethischen Abklopfen journalistischer Verantwortung („Ich habe den Krieg verkauft!“, weiß die Journalistin), im Einziehen einer historischen Perspektive in den aktuellen Diskurs (der Zuseher lernt: Politik und Unternehmen verwenden gleichermaßen Von Clausewitz' Kriegsphilosophie).

Aber Redfords Inszenierung ist überraschend ungelenk: Von Löwen und Lämmernist wie ein altmodischer sozialhygienischer Fernsehfilm, angetrieben vom Glauben an die US-amerikanischen Werte und einem „gesunden“ Patriotismus. Gerade da die Traumfabrik seit Jahren liberale Seifenopern ausspuckt, die sich in Bild und Inhalt um den Krieg herum inszenieren, ist Redfords Beschwichtigungsfilm ärgerlich in seiner relativierenden Redseligkeit: Er kann mit linken wie rechten Ideologien in Einklang gebracht werden und verliert darüber Kontur und Kraft. Das Wort ersetzt das fehlende Bild, die konventionelle Erzählung vermindert die Wirkung: Die Kriege im Irak und in Afghanistan bleiben trotz der digitalen Medienexplosion unheimlich unsichtbar.

Liberales Entertainment statt Radikalität

Verwandte Kinoarbeiten wie Paul Haggis' bald anlaufender In the Valley of Elah oder Sam Mendes' Jarhead stolpern über eigene Ansprüche, das endet im Paradox: Diese Filme wollen aggressiv und vermarktbar sein; sie wollen kämpfen, aber nicht verletzen.

Dieses „Liberal-tainment“ befriedigt die Zuschauer und dreht ernsthaften, kompromisslosen Vorschlägen den Geldhahn zu: Redacted, Brian De Palmas gewaltiger neuer Collage-Essay zu unterdrückten Kriegsbildkulturen, wurde unabhängig finanziert und kommt nur in wenige US-Kinos. Fox News bezeichnete De Palma als „Bösewicht“, bewertete seinen Film als „abscheulich“ und „antiamerikanisch“. Der Nachrichtensender gehört zu Rupert Murdochs Konzern, dessen andere Tochter 20th Century Fox in vielen Ländern als Verleiher von Redfords Von Löwen und Lämmern fungiert. Wie sagt Senator Irving zur Journalistin Janine Roth: „Sie haben den Krieg verkauft, jetzt helfen Sie uns, die Lösung zu verkaufen!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.