"Machtlos": Kein Licht ins Vorweihnachtsdunkel

Warner
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Ohne Standpunkt: Gavin Hoods fader Folterfilm „Machtlos“ mit einer leidenden Reese Witherspoon und Meryl Streep. Ab Freitag.

Was aussieht wie aus kursierenden Medienbildern geschnitzt, soll eigentlich aufrüttelndes Politkino sein: In Machtlos (im Original: Rendition) verzahnt der südafrikanische Regisseur Gavin Hood Erzählungen von Menschenraub, religiösen Fundamentalisten und Aushöhlung der US-Bürgerrechte zum Tagesaktualitäten-Panoptikum.

Isabella Fields El-Ibrahimi (leidend: Reese Witherspoon) ist als hochschwangere Mutter Gefühlskern einer liberalen Familie, wie sich Hollywood das vorstellt: Vor dem Vorortreihenhaus in Chicago spielt sie Fußball mit dem Sohn und ahnt noch nicht, dass ihr Mann (Omar Metwally), gebürtiger Ägypter, zum Opfer einer Antiterrorismus-Strategie der Bush-Administration geworden ist.

„Extreme Rendition“, unter Bill Clinton installiert, nennt man die CIA-gesteuerte, illegale Entführung von Verdächtigen: Hier wird Familienvater Anwar vom US-Flughafen geklaubt, nach Nordafrika gebracht, eingesperrt und unter Folter verhört. Viele aktuelle anpolitisierte US-Filme glauben sich schick und authentisch im Aufdröseln der Erzählung in verschiedene Handlungsebenen. Alejandro González Iñárritus Babel, im Vorjahr pünktlich zur Vorweihnachtsstimmung veröffentlicht, schlug überhaupt ein global greifendes Netzwerk aus Opfern und Tätern vor, das dem Zuschauer klassisches Ergreifen einer Seite unmöglich machte.

Stahlhart: CIA-Hexe Meryl Streep

Auch Gavin Hood, dessen Slum-Drama Tsotsi 2006 den Auslandsoscar bekam, setzt auf journalistische Akribie und deren Ergebnis: die Ausdifferenzierung. Isabella wendet sich nach dem Verschwinden des Gatten an ihren alten Freund, einen Senatorenassistenten (gut: Peter Sarsgaard): Über ihn erhält sie Zugang zum Vorhof der Macht. Die Fäden zieht eine CIA-Hexe (beständig: Meryl Streep): Sie dirigiert ihren Vasallen (perfekt gescheitelt, dennoch verschwendet: Jake Gyllenhaal) mit stählerner Härte (so viel zur Authentizität) durch Nordafrika.

Der wohnt – ein Handlungskreis schließt sich – dem Folterverhör El-Ibrahimis bei, beginnt ob dessen Grausamkeit, die eigene Funktion zu überdenken. Gyllenhaals Figur heißt Freeman(!) – es ist wenig überraschend, dass sich in seinem Aufbegehren gegen Menschenrechtsverletzung so etwas wie Hoffnung auf Humanismus formuliert.

Doch Machtlos ist eindimensional konservativ, trauert unverhohlen kultivierten amerikanischen Werten nach, anstatt Alternativen vorzuschlagen. Wut, Kraft, Kampf und Revolution sind Worte, die in Hoods Film nicht vorkommen: Er buhlt um Verständnis für jedwede Figur, das suspendiert Urteilsfindung und den Spannungsbogen.

Es ist paradox: Einerseits sollte man sich freuen, dass politische Diskurse in reichweitenstarke Filme eingehen. Andererseits fällt beim Blick in die Filmgeschichte auf, wie langweilig objektiv und moralisch imperativ sich aktuelle Produktionen im Vergleich mit dem aggressiven Aufbäumen vor drei, vier Dekaden ausnehmen. Schließlich ist Machtlos ein Opfer seiner Zeit: Ausbau wie Zusammenstöpseln medialer Themensetzungen scheinen notwendig angesichts der Informationsexplosion, das Publikum glaubt sich orientiert und bewegt. Der Schein hat's leicht in der Vorweihnachtsstimmung, auch wenn er kein Licht ins Dunkel bringt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2007)

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