"Todeszug nach Yuma": Auch böse Männer lieben ihre Mamas

UIP
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Film. Russell Crowe im Remake „Todeszug nach Yuma“: ein unprätentiöser Beitrag zur Western-Welle. Ab Freitag.

Manchmal muss ein Mann groß genug sein, um zu erkennen, wie klein er ist.“ Den Ratschlag, der seinem nominellen Helden – souverän verkörpert von Christian Bale – erteilt wird, beherzigt auch James Mangolds Western-Remake Todeszug nach Yuma.

Denn zwar erfährt das gern totgesagte Genre gerade unbestreitbar ein Revival – aber die aktuellen Vertreter biegen sich vor Bedeutungsschwere: Eben dehnte Andrew Dominik in Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford den Outlaw-Mythos zur epischen Meditation über Ruhm und Machismo, im Februar laufen die zwei höchst gelobten US-Filme des Jahres 2007 an: No Country for Old Men von den Coen-Brüdern, eine Spannungsmaschine im Neo-Western-Kleid, die zuletzt plötzlich philosophisch profund tun will, sowie Paul Thomas Andersons There Will Be Blood, eine (im selben Streifen Texas wie der Coen-Film gedrehte) Studie zu rücksichtslosem (Frontier-)Kapitalismus, so episch und (über-)ambitioniert wie der Jesse-James-Versuch.

Diese Filme schleppen das Gewicht des Genres als US-Nationalmythos zentnerschwer in den Satteltaschen, dagegen ist Todeszug nach Yuma erfrischend unprätentiös angelegt: Mangold will den Western nur als zeitgemäße Unterhaltung wiederbeleben. Dessen filmische Auferstehung ist aber weniger eindrucksvoll als die von Johnny Cash in Mangolds vorigem Film Walk the Line:Nicht ganz unschuldig daran ist die Anpassung des Stoffs an aktuelle Action-Inszenierungsformen: Die Story wird dabei oft bis an die Grenzen der Belastbarkeit überdehnt.

Vom Kammerspiel zur Action-Feuerwalze

Grundlage ist eine Kurzgeschichte des späteren Krimiautors Elmore Leonard, bereits vor 50 Jahren als Zähl bis drei und bete verfilmt (im Original heißen beide Filmversionen einfach wie der Zug, um dessen Erreichen sich die Handlung dreht – 3:10 to Yuma). Der Regieklassiker Delmer Daves legte die Konfrontation von charismatischem Gauner (Glenn Ford) und mitgenommenen Farmer (Van Heflin) als komplexes, spannendes psychologisches Kammerspiel an.

Ein Großteil des Films spielte nur in einem Hotelzimmer, wo der überlegene, soziopathische bis sympathische Outlaw den stur gewissenstreuen Schwerarbeiter-Jedermann auszumanövrieren versuchte. Als eine der Variationen aufs damals populäre High Noon-Modell vom einsamen Kampf um Gerechtigkeit bezieht Daves' herausragender Film Resonanz aus der Gegenüberstellung zweier amerikanischer Archetypen und subtiler moralischer Schattierung.

Bei Daves entsprang die Intensität reduzierter Genauigkeit, die Neuauflage will sie durch Aufwand erzielen: Bezeichnend der Postkutschenraub zu Beginn, im Original nur dichte Einführung – in Mangolds Version eine regelrechte Feuerwalze. Ein gewaltiges Maschinengewehr auf dem Gefährt dient zur Verteidigung, gezielte Schüsse auf Dynamit im Sattel sorgen für explosive Exzesse. Nicht nur die übersteigerte Ballistik verrät Italowestern-Einflüsse, sondern auch die zynische Schlusswendung. Im Kern werden aber klassische Themen beschworen.

Crowes Gentleman-Gauner tut ritterlich

Entsprechend die Dialoge, trotz Garnierung mit neumodischen Flüchen: Eines Tages, sagt Christian Bales glückloser Farmer zum Sohn, werde er ihn verstehen – „when you'll walk in my shoes“. Aber der Teenager rebelliert verächtlich: niemals! Der neue Film verlegt den entscheidenden Konflikt zwischen Vater und Sohn. Der nach dem Postkutschenraub gefangene Gentleman-Gauner (Russell Crowe), den Bale zum Zug ins Gefängnis bringen will, ist nur Kontrastfigur, gerade für den Bub – Bales Vater wird abschätzig an der Eleganz von Crowes Auftreten und Aufmachung gemessen. (So-)gar ritterliche Anwandlungen zeigt der Outlaw, zumindest kosmetischer Natur: „Even bad men love their mamas“, rechtfertigt Crowe einen Racheakt nach Mutterbeleidigung.

Diese Glorifizierung ist zwar von (Selbst-)Ironie gemildert, schwächt aber die moralische Kraft der Erzählung: Im Zuge des Action-Ausbaus ist Crowe nun eher kräftiger Mann der Tat als listiger mentaler Fallensteller, und seine Herausforderungen gelten nicht einer, sondern mehreren Figuren, was die ethische Struktur untergräbt: Statt um grundsätzliche Entscheidungen geht es nur mehr um momentane. Den Momenten wird wenigstens nicht mehr aufgebürdet als nötig: Die Offenbarung der Wahrheit über Bales Kriegsverletzung – rechtzeitig für einen zum Schlachtfeld eskalierenden Showdown –, sucht keine allegorische Signifikanz jenseits der Geschichte. Nur um die geht es letztlich, und sie vermag trotz der Mankos noch immer zu fesseln: Da ist der Film groß genug, um zu erkennen, wie klein er ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2008)

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