Philharmoniker: Endlich sind auch die Musiker Fans

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Bizet und Mahler, von Georges Prêtre ereignishaft modelliert.

Eine späte Liebe verbindet offenbar die Wiener Philharmoniker und Georges Prêtre. Ich erinnere mich gut eines Salzburger Konzertes vor gut zwei Jahrzehnten, als Bizets Symphonie und Mahlers Erste auf dem Programm standen und die Musiker nach dem Schlussakkord verdutzt ins frenetisch jubelnde Publikum blickten – ja, das französische Energiebündel hatte Unkonventionelles zuwege gebracht, denn seiner Suggestivkraft kann sich niemand entziehen.

Heute aber scheinen es die damals sozusagen zwangsläufig in Prêtres Sinn aufspielenden Musikanten selbst zu genießen, dasselbe Programm zu zwei philharmonischen Stunden jenseits jeglichen Alltagstrotts zu formen. Es ist auch phänomenal, was diesem Maestro gelingt: die schier endlose Geigenkantilene im langsamen Satz von Bizets genialem Jugendwerk setzt über sämtliche Taktstriche hinweg immer neue, ungeahnte expressive Kräfte frei. So hörte man gern wieder einmal Opernstars singen – von den Philharmonikern einfühlsam getragen. Ereignishaft, wie Prêtre hier die Bratschen mit einigen Handbewegungen zu besonders intensivem Begleit-Pizzicato animiert, wie er die Holzbläser mit einem Augenaufschlag zuletzt bewegt, die Gegenstimme so frei und schön aufblühen zu lassen, wie das dem Violinspiel der Kollege gerade zukommt.

Ein formvollendetes Mosaik

Aus unzähligen Momenten solcher gemeinschaftlicher Musizierkunst setzt sich ein Konzert unter Prêtres Stabführung zusammen. Bei Mahler kommen noch groteske Tableaus hinzu – doch empfindet der Hörer die Aufführungen keineswegs als Sammelsurium herrlicher Details. Denn Prêtre, der sensible Musiker, greift tiefer: Er nutzt feinfühlige Klangregie auch dazu, formale Zusammenhänge deutlich werden zu lassen. Bei keinem Mahler-Interpreten etwa wirkt die erste große Dur-Fanfare im Finalsatz brüchiger, weniger konsistent als bei ihm, wo sie in fahlen Farben gleich als vorläufig, visionär, ungesichert begreiflich wird – und sozusagen notwendig in den traumwandlerische Wiederkehr der Naturstimmungen des Symphoniebeginns zurückfällt. Aus ihnen erst entfaltet sich unwiderruflich der sieghafte Schluss. Und es ist in diesem Fall nicht nur dieses Final-Fortissimo, das den Jubel des Publikums provoziert. sin

Wiederholung: Dienstag, 19.30 Uhr, großer Musikvereinssaal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2007)

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