Chronist der kleinbügerlichen Enge: John Updike ist 75

Der US-Erfolgsautor gilt als "Experte für Sex und Ehebruch". Beim puritanischen Amerika stieß er auf wenig Gegenliebe, Kritik und Leser aber lieben ihn.

Ein Glück, dass John Updike als Kind unter einigen Handicaps litt. Seine Schuppenflechte verbot ihm alle Berufe, "die ein repräsentables Äußeres verlangen - Geschäftsmann, Lehrer, Banker oder Filmstar", erzählte er später. Zudem stotterte der Bursche, die Mutter hielt ihn deshalb zum Schreiben an. Und so wurde Updike Schriftsteller, einer der brillantesten und erfolgreichsten Autoren der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Am Sonntag (18. März) feierte er seinen 75. Geburtstag.

In seinen mehr als 20 Romanen hat Updike ein meisterhaftes Porträt der amerikanischen Mittelstandsgesellschaft entworfen. Satirisch, aber nie hämisch deckt er ihre großen und kleinen Lebenslügen auf und schaut hinter die Fassade. Liebe und Leidenschaft, Untreue und Verrat, Sex und Ehebruch - das sind die Themen, die ihn interessieren und die er mit unnachahmlicher Beobachtungsgabe virtuos erzählt. Seit Jahren gehört er zu den aussichtsreichsten Anwärtern auf den Literatur-Nobelpreis.

"Nichts unter dir außer einem schwarzen Loch"

Vor allem der Romanheld Harry Angstrom aus der Rabbit-Tetralogie ist zu einer Schlüsselfigur geworden. Vom Auftaktroman "Hasenherz" (1960) bis zum vierten Band "Rabbit in Ruhe" (1990) und der zusätzlichen abschließenden Erzählung "Rabbit, eine Rückkehr" (2002) entsteht ein umfassendes Sittengemälde Amerikas. Mit Liebe zum Detail, auch und gerade in Sachen Sex, zeichnet Updike darin die Entwicklung der Gesellschaft von den späten fünfziger Jahren bis fast zur Jahrtausendwende nach. Der Held, ein einstiger Basketball-Star, wegen seiner hasenartigen Schlaksigkeit "Rabbit" genannt, versucht immer wieder, der kleinbürgerlichen Enge seiner familiären und beruflichen Existenz zu entgehen - und scheitert jedes Mal kläglich. Am Schluss bleibt ihm nur das Gefühl, "dass nichts unter dir ist außer einem schwarzen Loch". Zwei der Romane wurden mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.

Updike gibt sich wenig Mühe, zwischen sich und seinen Helden zu unterscheiden. Immer sind seine Geschichten ein Stück eigenes Leben. Offen bis zur Schonungslosigkeit gibt er in seiner Memoirensammlung "Selbst-Bewusstsein" (1989) Auskunft über sich selbst: über die ärmliche Kindheit in der Provinz des US-Bundesstaates Pennsylvania, die Beziehung der Eltern und seine Krankheiten. "Ich hatte das Gefühl als Kind, dass da in unserem Haus irgendwie mehr vorging - die Unzufriedenheit der beiden Eltern, die Spannungen und sogar das Theater, das wir für unsere kleine Hausgemeinschaft inszenierten." Damit war das Thema für den Beziehungsexperten gesetzt. Auch seine eigene erste Ehe scheiterte später - trotz der vier Kinder. Seine zweite Frau brachte drei eigene Söhne mit in die Ehe.

Skandal in den USA des Jahres 1968

Ursprünglich wollte John Hoyer Updike, so sein voller Name, nach einem Einser-Abschluss an der Harvard-Universität im englischen Oxford Karikaturist werden. Doch bald kam er bei der renommierten Zeitschrift "The New Yorker" unter. Schon mit 25 konnte er sich selbstständig machen und vom Schriftstellerberuf leben. Seinen größten Erfolg hatte er mit dem Roman "Ehepaare", der 1968 in den USA einen Skandal auslöst. Das puritanische Amerika empörte sich über die freizügige Kleinstadtsatire, in der so ungefähr jeder mit jedem etwas hat. Aber Kritik und Leser waren begeistert.

Alle ein, zwei Jahre legte der arbeitswütige Autor in der folgenden Zeit einen neuen Roman vor - von "Henry Bech" (1970) über die mit hochkarätiger Besetzung verfilmten "Hexen von Eastwick" (1984) bis zur hochgelobten Familiengeschichte "Gott und die Wilmots" (1996). Mit "Brasilien" (1994) oder "Der Terrorist" (2006) gab es auch Bücher, die auf gemischte Kritik stießen. Gleichwohl hielt der Erfolg beim Publikum an.

Ängste des Alterns

Eine Art Lebensrückblick lieferte Updike zuletzt in "Landleben" (2004) - fast ein Vermächtnis. Hauptfigur Owen Mackenzie, 70 Jahre alt und zum zweiten Mal verheiratet, lässt das Leben Revue passieren, schildert aber auch schonungslos die Ängste des Alterns. "Er empfindet jeden Tag mit größerem Gewicht, wie unnatürlich es ist, das Bett zu verlassen für das gleiche langweilige Kleie-Getreideflocken-Frühstück."

Der Autor selbst lebt seit Jahren zurückgezogen mit seiner zweiten Frau in einem Haus an der Ostküste unweit von Boston. Mit dem  Schreiben aufhören will er noch nicht so recht, machte er kürzlich deutlich. "Alle anderen in meinem Alter sind praktisch in Rente. Doch als Schriftsteller bist du dein eigener Boss - keiner sagt dir, dass du deine Sachen packen sollst." (Ag.)

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