Die Absetzung als Hoffnungsschimmer

Die vier Säulen der Wrabetz'schen Reform wanken.

Der Traum des vergangenen August gewählten ORF-Generaldirektors ist ausgeträumt: „Ich finde, wir sollten eine tägliche, österreichische Unterhaltungsserie haben“, hatte Alexander Wrabetz (von Alfred Dorfer in der „Donnerstag Nacht“ liebevoll „Super-Alex“ getauft) noch Mitte Mai an „Mitten im Achten“ („MiA“) festgehalten. Gleichzeitig ließ er damals aufhorchen, von verschiedenen Produzenten seien „bereits acht Alternativkonzepte“ an den ORF herangetragen worden.

Macht man die ORF-Reform an den von Wrabetz vielfach repetierten vier Säulen fest, wackelt sie:
Stärkung des Vorabends: Die Aufhebung der Durchschaltung der „Zeit im Bild“ machte Platz auf ORF1. Prominent positionierte Wrabetz hier die tägliche Comedy „Mitten im Achten“ („MiA“). Die Quotenzielvorgabe von 400.000 Zusehern schaffte das Format an keinem Tag; zuletzt hatte „MiA“ ein Viertel der geplanten Zuseherzahlen. Außerdem: Der „Audience-Flow“ funktioniert nicht. Damit ist das durchgehende Dranbleiben der Seher gemeint, das insbesondere der Werbewirtschaft wichtig ist, weil die Werbeblöcke schließlich zwischen den Sendungen laufen. Seit Montag gibt es in ORF2 dank des neuen „Willkommen-Österreich“-ähnlichen Magazins „Sommerzeit“ wieder Hoffnung.
•Der Ausbau der Information, insbesondere auf ORF1, ist gelungen. Allerdings gibt es Einbußen bei der Qualität der „ZiB1“, kritisierten Publikums- wie Stiftungsräte unlängst, die „wichtigste Nachrichtensendung des Landes“ sei zu oberflächlich geworden.
•Durch mehr Qualität auf besseren Sendeplätzen hat man grundsätzlich mit leichten Quotenrückgängen gerechnet. Nun bescherten aber etwa Übertragungen aus Burgtheater und Staatsoper, von Kritikern gelobt, dem ORF dramatisch schlechte Marktanteile. Wrabetz stellte sich jüngst in diesem Zusammenhang die Frage, ob „der Marktanteil das Einzige ist, was zählt“. Der ORF sei jedenfalls bereit, punktuell den öffentlich-rechtlichen Mehrwert zu stärken, auch wenn man dafür Quoteneinbußen hinnehmen müsse.
Eigenproduktionen: Nicht nur „Mitten im Achten“, sondern auch das Diskussionsformat „Extrazimmer“ und der erneute Relaunch des Sonntagabend-Talks „Im Zentrum“ finden ihre Zuseher nicht.

Mit Verlusten gerechnet

Stiftungsratsvorsitzender Klaus Pekarek sieht in der Absetzung von „MiA“ nun einen Gegentrend, um weitere Quotenverluste zu stoppen, „weil im Bereich der Marktanteilsentwicklung die Ziele klar nicht erreicht wurden“. Mit dem zweiten Halbjahr 2007 müsse man versuchen, „wieder auf die Flughöhe zu kommen“. Pekarek rechnet vor: „Man hat damit gerechnet, dass die Digitalisierung (die Umstellung auf DVB-T, Anm.) bis zu 3Prozentpunkte des Marktanteils kosten wird. Die Stärkung des Vorabends hätte 2Prozent bringen sollen, und die Qualität auf besseren Sendeplätzen kostet 1Prozent“ – einen Rückgang des Marktanteils von 2Prozent (von 43 auf 41 Prozent) habe man also eingerechnet. „Derzeit aber hält man bei einem Minus von 5 bis 6Prozent. Auf das Jahr hochgerechnet wird der Zielmarktanteil von 41Prozent schwer zu halten sein.“

ORF-intern sehen die einen in Wrabetz' Entscheidung einen „Akt von Führungsstärke“, die anderen kritisieren zu wenig Konsequenz. „Es ist im TV-Geschäft normal, es gibt halt Flops“, sagt ORF-Sprecher Pius Strobl, „siehe RTL.“ Der deutsche Private hatte seine tägliche Soap „Ahornallee“ nach sechs erfolglosen Wochen wieder eingestellt. Laut Strobl hat der ORF „alles an Mitteln“, zum Beispiel Marktforschung, eingesetzt, um eine Entscheidungsgrundlage zu haben – schließlich sei man aber zu dem Schluss gekommen: „Das Format hat keine Chance mehr.“

Fragt man Strobl nach eventuellen Personalkonsequenzen nach „MiA“, sagt er: „Lesen Sie einmal ein Managementbuch – wäre das so, dann würde kein Mensch mehr eine Entscheidung treffen.“ Dennoch wird im ORF-Umfeld schon von einem baldigen Abgang Lorenz' gemunkelt.

Sägen an Lorenz' Sessel

Dem ORF-Gesetz nach kann die Absetzung eines Direktors allerdings nur vom Generaldirektor initiiert werden – und braucht dann noch die einfache Mehrheit im Stiftungsrat. Bisher ist das erst einmal passiert, im Herbst 1993, als Ernst Wolfram Marboe vom damaligen Generalintendanten Gerd Bacher abberufen wurde. Als mögliche Nachfolgerin für Lorenz käme unter Umständen Musical-Intendantin Kathrin Zechner in Frage, hört man.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2007)

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